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Text zu: Der Weltverdruss

  1. I hab koan Vater mehr / und a koa Muater mehr, / koa Schwester, Bruader und koan Freund. / |: Bin ein verlassnes Kind / als wia der Halm im Wind, / i bin der Weltverdruss, / so hams mi gnennt. :|
  2. Mein Vatern kenn i net, / de Dirndln megn mi net, / wer hat denn 's Glück so ungleich teilt? / |: I hab koa Haus, koa Bett / und a koa Hoamat net, / i bin der Weltverdruss, mit mir is's g'feit! :|
  3. Oft steh i drauß im Feld / und schau hinein in d'Welt / und schau, wia d'Welt so unrecht tuat. / |: Der oane kennt koa Nout, / der andre kränkt si z'tout, / wer oamal herzkrank is, werd nimma g'sund. :|
  4. I soll mi lustig stelln, / wann 's Dirndl tanzn will, / spielt's auf zum Tanz an Abend lang! / |: Wenn a de Zither klingt / und 's Herz im Leib sich schwingt, / hat d'Welt für mi koan Klang und a koan Sang. :|
  5. Aft hab i glaubt amal, / dass i an Dirndl g'fall, / da hab i g'juchezt, dass's hat g'hallt. / |: Doch i hätt wissn solln, / sie hat an andern wolln, / für mi hat d'Welt koa Freud und d'Sunn koan Glanz. :|
  6. So pfüati God, mei Schatz, / suach mar an andern Platz, / mi treibt's in d'Welt, mir lasst's koa Ruah. / |: Derweil mei Geign no klingt, / derweil mei Herz no springt, / solang ertrag i's, aber dann is gnua. :|
  7. Und weil mi koana mag, / greif i zum Wanderstab / und wandre in die Welt hinaus. / |: Ihr Berge himmelhoch, / ihr Täler, grüaß euch Gott! / Des war der letzte Gruß vom Weltverdruss. :|

Dieses Lied über einen traurigen Menschen klagt in der "Ich-Form" vom fehlenden Lebensglück in vielerlei Weise: Er hat keine Familie, ist ohne Dirndl-Liebe, klagt über die Ungerechtigkeit in der Welt und macht sich auf in die Welt, wo er vielleicht ein besseres Leben erwartet (?). Mehrere Textfassungen, unterschiedliche Melodievarianten (vgl. auch unterschiedliche wesentliche Töne in Takt 5) und auch Singformen (ohne Takt oder in durchgehendem Walzerrhythmus) sind sowohl im Vortragsgesang als auch im Volksgesang und in der Tanzmusik im süddeutschen Sprachraum bis heute verbreitet.
Alle Varianten gehen zurück auf den von Gustav Jungbauer (Volkslieder aus dem Böhmerwalde 2. Prag 1937. Nr. 608) benannten Verfasser: "Franz Keim, geb. 1840 zu Alt-Lambach in Oberösterreich, gestorben am 26. Juni 1918 in Wien. 'Der Weltverdruß' wurde vom Dichter selbst auch vertont, ...". Im VMA sind gedruckte Varianten aus dem 20. Jahrhundert belegt u.a. aus dem Böhmerwald (Slg. Jungbauer), dem Egerland (Slg. Brosch), dem Bayerischen Wald (Baumsteftenlenz) oder dem Chiemgau (Slg. Seibert). In Liedhandschriften scheint der Text auf u.a. bei Liebl (Schönberg 1924) oder Altmann (Flecken 1931 ff). Aufzeichnungen und zahlreiche Hinweise auf die mündliche Überlieferung in Oberbayern gibt es u.a. aus mehreren Orten im Chiemgau, im Rosenheimer Umland, im Dachauer Hinterland, in der Sammlung Fanderl, usw. Wir haben im VMA aus den vielen Varianten in Text und Melodie mit eigenen "Zutaten" für dieses Heft eine Langfassung erstellt. EBES 2010.