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Text zu: Lied vom Wiessepp

Die Nachfragen nach dem im Lied benannten Josef Willibald, der von den Jägern im "Schwarzen-Tenn" (wohl am Brauneck) erschossen wurde, blieben bisher in Lenggries und Wegscheid erfolglos. Die Großenkelin des "Streidlbauern" Anton Wohlmut erinnert sich noch an Erzählungen ihres Vaters über den Gesang des Großvaters. Wer weiß mehr?

  1. Merket auf und machet mich nicht irre, / ich muß euch heut was Neus vortragn, / ich sag es frei und tu mich nicht genieren, / ich tu euch heut eine Wahrheit sagn.
  2. Ich kann für diesmal nicht länger schweigen, / ein Menschenblut, das zwinget mich dazu, / denn solche Ungerechtigkeit im Leben / läßt mir für diesmal keine Ruh.
  3. Die Wälder, die sich sonst so stolz erheben, / sie senken jetzt betrüabt ihr Haupt, / den Schützenkönig bracht man um das Leben, / ihm wurd ein junges Lebn geraubt.
  4. Ein Schütz ging voll Freude auf das Birschen, / ein Jager schoß ihn von der Stelle weg, / er erzählt von einem Zehnerhirschen, / den er so glücklich hatte heut erlegt.
  5. Josef Willibald hat er geheißen, / musterhaft war sein Lebenslauf, / seine Freude war das Wildbratschiaßen, / er gab dadurch sein Glück und Leben auf.
  6. Er kam vier Jager in den Bogen, / als sie dies merkten, trieben sie ihn noch ganz ein, / er wollte seinem Tode noch entfliehen, / wer glaubt, daß sie so grausam könnten sein?
  7. Den ersten Zwei, den sprang er auf die Seite, / der Dritte schoß und hat ihn auch gefehlt, / erst der Vierte macht dem Schütz ein Ende, / schickt ihn hinüber in die andre Welt.
  8. Schwarzen-Tenn soll man das Schlachtfeld heißen, / so gebens auch die wilden Jager an, / nach Tegernsee da brachtens seine Leiche, / da kam es eilig zur Sektion.
  9. Seine Kameraden gingen gleich hinüber / und brachten Zeugenschaft von seinem Tod; / den Wildbratschützen hat man nun erschossen, / es helfe ihm der liabe God.
  10. Bei dem Jager hat es eine Zeit gegeben, / wo es ihm fehlt an Geld und auch an Brot, / er hatte nichts mehr als sein nacktes Leben, / da half der Willibald ihm aus der Not.
  11. Von Tegernsee da wird er übergeben, / ja zurück ins Vaterhaus. / "Tut unser Sohn und Bruder nicht mehr leben!" / so ruft nun jedes tränenvoll noch aus.
  12. Tiefbetrübte Herzen sieht man stehen / und offen stand dem Willibald sein Grab, / mit tränenvollen Augen / senkt man ihn tief in die Erd hinab.
  13. Die letzte Ehre wird ihm noch erwiesen, / ein jedes geht für ihn ins Gotteshaus. / "O Herr, o laß ihn ruhn in Frieden!" / so ruft wohl jedes in Gedanken aus.

Qu: KP, S. 147 (nur Text), "Das Lied habe ich bekommen von Wohlmut Anton, 68 Jahre alt, Wegscheid bei Lenggries, 11.10.27." Melodie EBES 2003 nach überlieferten Moritatenmotiven. Die Vertreter der oberbayerischen Volksmusikpflege nach dem 2. Weltkrieg haben solche Gedächtnislieder auf populäre Melodien abgelehnt - im natürlichen lokalen Volksgesang leben sie weiter.
TA: Ossi Hackl (Zither) und Hannes Janßen (Kontragitarre), VMA Bruckmühl, 11.1.2004, ES.