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Text zu: "An einem Sonntagvormittag" - Thomeis letzter Gang

Dieses Totengedächtnislied ist dem Wildschützen Thomas Schlechter gewidmet. Sein Schicksal im Jahr 1926 ist bis heute in Ruhpolding nicht vergessen und wird im Lied teilweise detailliert wiedergegeben - wie Georg Sojer festgestellt hat. Neben der genauen Darstellung des Todes und der Mißbilligung der Tat des Jägers wird hier vor allem auch die Seite der Familie und die Trauer der Eltern und Freunde thematisiert.

  1. An einem Sonntagvormittag, bei Herbstes klaren Tagen, / da rückte unser Thomei aus, am Brachspitz drobn zu jagen; / er stieg hinan den steilen Hang mit Schützenlust und Spannung, / vo dem, was heut no kemma mag, hatte er wohl keine Ahnung.
  2. So stieg er immer höher an in Schützenlust und frohem Sinne, / und näher jenem Orte zu, der ihm wurd zum Ruine; / denn dort sprang rasch ein Jäger vor, der hat jedoch die Schneid / und schießt in seiner Mutesnot unsern Sohn und Freunde tot.
  3. Der Kopf, die Brust mit Schrott zerfleischt, doch rein warn seine Händ, / er dachte wohl im Leben nie, daß er an Jagabluat sich wendt, / er war doch stets a braver Bursch, ihn kannten hier doch alle, / drum glaubt man nicht an seine Schuld dahier in keinem Falle.
  4. Nun traurig-armer Jägersmann, nimmst du es aufs Gewissn, / was du den Eltern angetan an Kummer und Verdrüssn; / du hättest selbst Familie, nimm still dir vor die Augen, / wenn die Deinen heute dich für ihn als Totn würden schauen.
  5. Die Brachspitz war sein letzter Gang, den er gemacht auf Erden, / es wird auch hier sein Schicksalsort wohl nie vergessen werden; / da wo der Tod und böse Wahn auf ihn schon lang gelauert / und auch sein braves Elternpaar und Freundesschar um ihn trauert.
  6. Nun ruhe sanft in Himmelsruh und schlaf den ewigen Frieden, / der dir doch war auf dieser Welt nur kurze Zeit beschieden; / du hattest keine Feinde nicht, bis zu dem letzten Tage, / das bewies schon der Leichenzug, als man dich trug zu Grabe.

Qu: KP, S. 96 nur Text, "Thomas Schlechter, Schneiderhäuslerssohn von Unterbichl, Todestag Seelensonntag, 7. November 1926. Wurde auf der Brachspitze bei Ruhpolding im 22. Lebensjahr von einem Waldaufseher erschossen.", Melodie neugestaltet nach überlieferten Motiven EBES 2005. TA: Dokumentationsaufnahme mit Georg Sojer (80 Jahre) und Pongratz Gstatter, Ruhpolding, Eva Bruckner (Gitarrenbegleitung), 4.2.2005, VMA Bruckmühl, TRL 0262.