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Text zu: "Ueberall hinausgetrieben" - Lola's Abschied

Im Jahr 1846 hatte sich der alternde König Ludwig I. von Bayern (*1786 Straßburg, König 1825-48, +1868 Nizza) in die 25jährige Tänzerin Lola Montez verliebt und ihr – unter Missachtung der Verfassung – Staatsbürgerschaft und Erhebung in den Grafenstand verliehen. Lola Montez, die vorgab Spanierin zu sein, hieß mit bürgerlichem Namen Elizabeth Gilbert und war die Tochter eines britischen Offiziers und einer Kreolin. Durch das unziemliche Verhältnis und das Auftreten von Lola wurde die Münchner Bürgerschaft so erbost, dass es zu Ausschreitungen kam, in deren Folge der König am 20.3.1848 abdankte. Lola Montez wurde ausgewiesen und starb 1861 in New York. (WK)

  1. Ueberall hinausgetrieben, / ueberall davongejagt, / ist mir kein Asyl geblieben, / nirgends mehr, Gott sey's geklagt! / Bayern, das aus Nacht und Pfütze / ich zum Spaß ein wenig hob, / Bayern, meine letzte Stütze, / warf hinaus mich bayrisch grob.
  2. Ach, wohin die Schritte wenden? / Nach Italien? in die Schweiz? / Zahlt man dort mit vollen Händen / meiner Frechheit eignen Reiz? / Kriechen dort wol auch Minister, / Staatsbeamten, Officier, / Allemanne und Philister, / kriechen sie dort auch vor mir?
  3. Find' ich dort wol auch Gendarmen, / mich zu schützen stets bereit? / Sticht man dort auch ohn' Erbarmen / auf das Volk, das tobt und schreit? / Ach! gar viel hab' ich verloren, / was nicht zu ersetzen ist, / selbst den Titel "Hochgeboren" / raubt man mir zu dieser Frist.
  4. Flüchtig muß durch's Land ich ziehen, / flüchtig, sag ich, vogelfrei, / selbst verlästert und verschrieen / von der hohen Polizei. / Hätt' ich nicht in guten Zeiten / Geld in Sicherheit gebracht, / Noth und Hunger müßt' ich leiden / durch das Volk bei Wind und Nacht.
  5. Ich, die eines Königs Lieder / für das schönste Weib erkannt, / die geschmückt die schlanken Glieder / mit Rubin und Diamant; / schlage jetzt das Aug' zu Boden, / daß mich nicht veräth die Gluth; / denn am liebsten bei den Todten / sähe mich des Volkes Wuth.
  6. Ich gesteh's, ich lieb' das Laster, / was die Welt so Laster nennt, / schwelge gern und rauche Knaster, / Wollust ist mein Element; / sollt' ich etwa besser scheinen, / als ich dennoch wirklich bin? / Darum wirft man mich mit Steinen, / hat zu tödten mich im Sinn?
  7. Mir ist's recht, ich bin geborgen, / und geborgen ist mein Geld, / eine Zukunft ohne Sorgen / beut mir jetzt die ganze Welt; / ich verlor durch's Straßenpflaster / nur vom Haupt den goldnen Reif, / für das ungeschminkte Laster / ist die Welt jetzt noch nicht reif.

Qu/Dr: Franz W. Freiherr von Ditfurth, Historische Volkslieder, Band III, Berlin 1871/72, Nr. 65 (nur Text). Undatierter Liedflugblattdruck "Lola's Abschied. - 16. März 1848" - mit Anspielungen auf die "Kriecher" in Ministerien, Beamtenschaft, Militär und Studentenverbindungen - und ihre Vorteilsnahme aus der Beziehung mit dem alternden König. Melodieversuch EBES 2004. TA: Margret Regner (Teisendorf) mit eigener
Gitarrenbegleitung, VMA 3.2.2004.