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Text zu: Lied auf den Englischen Garten – [1791]


Mit Dekret vom 13.8.1789 gab Kurfürst Karl Theodor (1724-1799) den Auftrag, vor den Toren Münchens im ehemaligen Hirschanger einen Park anlegen zu lassen. Den Auftrag erhielt Benjamin Thomson (1753-1814), ein amerikanischer Offizier und seit 1792 Reichsgraf von Rumford, den Karl Theodor zur Reorganisation und Modernisierung des bayerischen Heeres und zur Reformierung des Sozialwesens nach München geholt hatte. Dieser entwickelte zusammen mit dem kurfürstlichen Hofgärtner Friedrich Ludwig Sckell (1750-1823) ein Konzept, das einerseits einen großen Park zur „Ergötzung“ und Erholung des Münchner Publikums, andererseits ein Areal für militärische Aufgaben, darunter sog. Militärgärten zur Selbstversorgung der Soldaten, eine „Vieh-Arzneyschule“, ein Exerzier- und Manöverfeld und einen sogenannten „Elevengarten“ zur Ausbildung der Kadetten vorsah.
1790 konnte der seit 1777 in München regierende Kurfürst die Anlage erstmals besichtigen und 1793 wurde sie an die Münchener Bevölkerung übergeben.
Der neue Park war durchzogen von Wasserläufen, über die zahlreiche Brücken führten, dazwischen immer wieder Ruhebänke, Denkmäler und Statuen. Vom Chinesischen Turm in der Mitte eröffnete sich der Blick über die Baumwipfel, die mit dem gegenüberliegenden Isarufer eine Linie bildeten und so den Eindruck vermittelten, als würden die Dörfer Haidhausen, Bogenhausen und Föhring wie auf einem grünen Meer schwimmen.
Unser Lied entstand anlässlich einer Besichtigung von Militäranlagen 1791 und könnte wohl aus dem Umkreis des Oberststallmeisters Graf von Vieregg stammen, der in seiner „Skizze des neu angelegten englischen Gartens oder Theodorparks zu München“ davon spricht, dass der „ganze Garten ein vortreffliches Gedicht“ sei. (WK)

  1. He! stimmt mit ein, ihr Brüder! / Stimmt ein in diesen Chor.
    Und singet Dankeslieder / Dem Vater Theodor!
  2. Er sorgt für unsre Freuden, / Schafft uns ein Paradies
    Aus ödem Wald und Heiden, / Macht uns das Leben süß.
  3. Voll edler Dankbegierde / Singt auch dem Manne Lob,
    Der mit so vieler Zierde / Den öden Ort erhob!
  4. Seht da die bunte Menge / Von allerlei Gesträuch,
    Die hundertfachen Gänge / An Kunst und Anmut reich!
  5. Horcht, wie die sanfte Quelle / Hier durch Gebüsche schleicht!
    Und dort die Wasserfälle – / Sagt, was der Szene gleicht?
  6. Die Wipfeln der Paläste / Sie ragen schön empor
    Und blicken durch die Äste / Ganz majestätisch vor.
  7. Und in des Parkes Mitte / Wie da der Turm herschaut,
    Nach der Chinesen Sitte / Recht niedlich aufgebaut!
  8. Besteigt man nun die Zinne / Und blickt dann um sich her –
    O herrliche Schaubühne! / Man sieht ein grünes Meer.
  9. Und Orte schweben drüber, / Die doch zu Lande steh'n
    Dem Flusse gegenüber / Bei Zephyrs leisem Weh'n.
  10. Von da durch Schattengänge / Erblickt man Zelt für Zelt
    In abgemessner Länge / Zur Kriegsübung gewählt.
  11. Hier lernen Bayerns Krieger / Mit unerschrocknem Mut
    Zu geben einst als Sieger / Für 's Vaterland ihr Blut.
  12. Hat nicht bei diesen Szenen / Kunst und Natur ihr Ziel?
    Wer kann da auch nur wähnen / Ein himmlischers Gefühl?
  13. Zwar winken keine Trauben / Uns zur Erquickung zu;
    Doch durch die holden Lauben / Fließt Seligkeit und Ruh.
  14. Genießet nun die Freuden, / Sei 's späte oder früh!
    |: Und, drückt euch Gram und Leiden, / Kommt! hier verschwinden sie. :|
Qu: Historische Volkslieder und Zeitgedichte vom 16. bis 19. Jahrhundert, gesammelt und erläutert von August Hartmann, mit Melodien herausgegeben von Hycinth Abele, Dritter Band, München 1913, S. 49, Nr. 206 [1791]: "Ein Lied auf Theodors Park, oder den englischen Garten in München, bei Gelegenheit des neuen Exerzitienlagers. Von einem Baier. Im Wonnemonat (Mai) 1791." Alter Druck in der Universitätsbibliothek zu München. Melodien aus "Tanzmelodien aus München um 1800" (VMA 1988/1999, Nr. 20, 22, 24, 32) u.a. Motiven neu gestaltet und angepasst; EBES 19.3.2006. TA: VMA/THZ-0072; "Oberlandlerienen": Martina (Sologesang, Fischbachau) und Stephanie Prochazka (bei Wiederholung "Chor", Fischbachau); Helmut Scholz (Zitherbegleitung, Rosenheim) und Martin Prochazka (Gitarrenbegleitung, Fischbachau); VMA 9.7.2010.