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Text zu: "Bet und arbeit!" ruft die Welt – [1863]


Dieses Lied ist in Gewerkschafts- und Sozialistenkreisen bekannt als das „Bundeslied“. Es entstand 1863, als Ferdinand Lasalle den Schriftsteller und Dichter Georg Herwegh (1817-1875) aufforderte, für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV, einen Vorläufer der SPD) ein Lied zu verfassen, das die Gemeinschaft stärken sollte.
Das Bundeslied fand schnell Aufnahme in den breitesten Kreisen und wurde ebenso schnell verboten und jahrelang nur illegal verbreitet. Lasalle konnte den Dirigenten und Komponisten Hans von Bülow für eine erste Vertonung gewinnen (unter dem Pseudonym „Solinger“).
Das Lied „Bet‘ und arbeit“, von dessen ursprünglich 12 Strophen hier 7 abgedruckt sind, nimmt sich die benediktinische Regel des „Ora et labora“ zum Motto. Allerdings wird die Regel dadurch verändert, dass man möglichst kurz beten solle, um möglichst lange arbeiten zu können. Das Lied prangert die Situation des zeitgenössischen Arbeiters an, der Tag und Nacht schuftet, selbst in Armut lebt und von den Erträgen seiner Arbeit nicht profitieren darf. Ganz im Gegenteil, durch seine Arbeit werden die Mittel erzeugt, die ihn unterdrücken. Daher die Aufforderung an den Arbeiter, seine Macht und sein Potential zu erkennen, denn „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!". (WK)

  1. "Bet' und arbeit!" ruft die Welt. / Bete kurz, denn Zeit ist Geld!
    An die Türe pocht die Not, / bete kurz, denn Zeit ist Brot!
  2. Und du ackerst, und du säst, / und du nietest und du nähst,
    und du hämmerst, und du spinnst, / sag, o Volk, was du gewinnst?
  3. Wirkst am Webstuhl Tag und Nacht, / schürfst im Erz- und Kohlenschacht,
    füllst des Überflusses Horn, / füllst es hoch mit Wein und Korn.
  4. Doch wo ist dein Mahl bereit? / Doch wo ist dein Feierkleid?
    Doch wo ist dein warmer Herd? / Doch wo ist dein scharfes Schwert?
  5. Alles ist dein Werk! O sprich, / alles, aber nichts für dich!
    Und von allem nur allein, / die du schmiedst, die Kette dein!
  6. Mann der Arbeit, aufgewacht, / und erkenne deine Macht!
    Alle Räder stehen still, / wenn dein starker Arm es will!
  7. Brecht das Doppeljoch entzwei! / Brecht die Not der Sklaverei!
    Brecht die Sklaverei der Not! / Brot ist Freiheit, Freiheit Brot!
Qu: Am 1. Mai gehen heute die Interessen zwischen Stadt und Land auseinander. In den Städten rufen die Gewerkschaften zur Maikundgebung auf, aber im Vergleich zu dem an diesem Tag in den Dörfern praktizierten Maibaum-Brauchtum hat der "Tag der Arbeit" noch nicht einmal ein Jahrhundert Geschichte. Es war am 14. Juli 1889, dem 100. Jahrestag der Französischen Revolution, als in Paris der 1. Kongress der (zweiten) Sozialistischen Internationale die Arbeiterorganisationen dazu aufrief, in allen Ländern den 1. Mai zu ihrem Kampftag zu machen. Im deutschen Kaiserreich aber wurden die Arbeiterverbände noch lange streng kontrolliert und die Polizei verbot alle Maiveranstaltungen unter freiem Himmel. Die Unternehmer drohten jedem mit Kündigung, der am 1. Mai nicht zur Arbeit käme. Deshalb saßen damals die Arbeiter am 1. Mai auch erst abends im Saal beisammen. "Nationalfeiertag des deutschen Volkes" wurde er 1. Mai schließlich 1933. Zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins gab Ferdinand Lassalle 1863 bei dem Dichter Georg Herwegh ein "zugkräftiges Bundeslied" in Auftrag. Die von einem Shelley-Gedicht inspirierten Verse Herweghs wurden in den folgenden Jahren mehrfach vertont, populär ist die Fassung von Heinz geblieben. Für München lässt sich die Verbreitung des Liedes ab 1869 nachweisen (Annemarie Stern, Lieder gegen den Tritt – Politische Lieder aus fünf Jahrhunderten, Oberhausen 1978, S. 114). Das Bundeslied ist die erste Hymne der deutschen Arbeiterbewegung. V: Lieder und Musik zum Brauchtum in München im Jahreslauf (Ernst Schusser und Volker D. Laturell für das Kulturreferat der Landeshauptstadt München, 1986, S. 24/25). TA: VMA/THA-0002; Sänger aus Bruckmühl: Anni Fuchs, Karl Garscha, Gertraud und Sepp Gotzlirsch, Anni Hochschneider (auch Akkordeonbegleitung), Anita Neck, Sophie Planck, Marianne Reitberger, Toni und Marianne Riel, Franz Roßmeißl, Josef Schmid, Irmgard Strauß; VMA 28.2.2007.