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Text zu: Die Spitzeder Bank – [1873]


1869 sorgte in München ein neues Geldinstitut für Furore: Die „Dachauer Bank“, gegründet von Adele Spitzeder, bot für Einlagen monatlich 10 % Zinsen.
Adele Spitzeder, 1832 in Berlin als Tochter eines Künstlerehepaars geboren und selbst Schauspielerin, landete mittellos in München. Sie führte einen aufwändigen Lebensstil und – selbst hoch verschuldet – begann sie mit einem letzten Kredit ab 1869 Geld anzunehmen, um es unter den oben erwähnten Bedingungen zu verzinsen. Durch Mundpropaganda und durch Zeitungsannoncen machte die Nachricht von den hohen Zinsen schnell die Runde und das Geschäft florierte. Natürlich gab es Warnungen, aber bis November 1872 blühte das Geschäft. Dann schlug die Staatsgewalt zu. Adele Spitzeder wurde verhaftet. Im Prozess 1873 kam zu Tage, dass dem Bestand von rund 1,2 Mio. Gulden Schulden von über 10 Mio. bei 21.000 Gläubigern gegenüberstanden. Spitzeder wurde zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach der Abbüßung der Strafe führte sie ein ziemlich flottes Leben. Das Geld dafür könnte aus den „Überbleibseln“ der Dachauer Bank gestammt haben. Nach Jahren kehrte sie nach München zurück und verstarb 1895.
Im Lied werden die Bank und deren Usancen geschildert. Es wird das Geschäftslokal beschrieben und schließlich die Wirkung bis nach Oberösterreich, wo im Oktober 1872 deshalb die Volkskreditbank in Linz als Genossenschaftsbank gegründet wurde. Der in Strophe 9 verwendete Begriff „Glesucht“ bedeutet Maul- und Klauenseuche. (WK)

  1. I bitt, meine liabn Herrn, / kann mir's denn neamd erklärn,
    wia's da drobn z'Münga zuageht / und mit dem Geld besteht.
    Bei dera Kassa g'nau, / da derfat ma a nachschaun,
    hat eahns da Wind davon, / da schauts euch an.
  2. Fräulein Spitzederin / hat ihr Gschäft nimma mögn,
    sie ist mit'n Schauspielern g'roast, / da wird s' halt a net foast,
    hat allweil Schuldn g'macht / und nia nix hinfür bracht,
    sie nimmt allweil Gelder auf, / wer hilft ihr denn draus?
  3. Das Fräulein is schon so fein, / sie zahlt in vorhinein
    grad auf a viertl Jahr / – und d'Leut wern noch nicht klar, –
    etlich 20 Prozent, mein Bua. / Geld tragn s' ihr in Haufa zua,
    gar bis auf Münga nein, / los möchten sie's sein.
  4. Sie hat kaum 20 Gulden ghabt / und hat's gleich so weit bracht,
    bei dera Schwindlbank / halten die Großen zam.
    D'Leut wern belehrt so fein, / tragn 's Geld auf Münga rein,
    d'Bank tuat an Haufa Zinsn zahln, / das tuat euch gfalln.
  5. Die Zimmerl sand a so fein / herg'richt halt aufn Schein
    mit Tafeln ganz verhängt, / 's Kruzifix an der Wänd.
    Sie tragt a Kreuz von Gold, / dass d' Leut verblenden sollt,
    häufig sans ganz blind worn / mitn Geld aufi tragn.
  6. Aus Neuhofen, Pram und Ried / die Leut hat s' schön angschmiert,
    reisen mit ihrem Geld / so saudumm auf der Welt.
    Hättn sie's dahoamtn g'haltn, / hätt eahn's dort a neamd g'stohln.
    Wuchern teans a noch schön, / die Sakaramä!
  7. Und an sechsasechzga Jahr / da hört man's auch ganz klar,
    bringan s' die Schwindlbank / zum ersten Mal in Gang.
    D' Bauern und Bürgersleut, / begehrn den Zins sogleich,
    habn eahna ganz Vermögn / da Spitzeder Bank gebn.
  8. Wer a Geld ausleichn kann, / der packt's doch gscheider an,
    dass er net so weit geht, / wenn ers schon gern weg hätt.
    Denn die Dachauerbank / bringt häufig Ochsen zam,
    jetzt hams die Glesucht schon, / mitn Geld sans davon.
  9. Leut, nehmts enk wohl in acht, / dass neamd an Fehler macht!
    Jetzt wird a Bank erricht't, / die heißt man Volkskredit,
    D'Linzer wolln's a probiern / mitn Geld recht profitiern,
    aber mit dumme Leut, / da gangs wieder leicht.
Qu: Texthandschrift von Johann Lahnsteiner, Salzburg und Braunau (aus dem Besitz von Theresia Eisl), mit Zeitangaben 26.1.1875 und Mai 1876 (Kopie im Archiv des Österreichischen Volksliedwerks, dabis IDN: 66969, Arbeitskopie im VMA). Anpassung an die heute übliche Schreibweise, kleine Textänderungen und Melodiezuweisung nach volkläufigen Motiven VMA/EBES 30.4.2012. TA: VMA/THZ-0137; Claudia Harlacher (Germerswang), Eva Bruckner (Berchtesgaden), Georg Lindmair (Bad Tölz), Hans Auer (Harfenbegleitung, Hammerau); VMA 3.8.2017.