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Text zu: Die Sennrin von Diesbach

In der Ramsau/BGL ist dieses Lied über den Unglückstod der "Sendin" Gertraud Schwab am 23. August 1813 noch in verschiedenen Fassungen im Bewußtsein der Bevölkerung. Auf dem Grabkreuz fand sich folgende Schrift: "Gertraud Schwab/zum Jörg/Ledigen Standes. geb. am 21. Dez. 1788/als Sendin zu Diesbach verloren gegangen/am 23. August 1813 ober dem Flecken am Seehorn/gefunden worden am 24. August 1814/und tags darauf hier zur Erde bestattet". Die Heimatforscher sehen in Severin Wallner, dem ersten Pfarrherrn der Pfarrei Ramsau den Verfasser des Liedes, das von 1813-1815 seine 11-strophige Fassung erhielt. Schon 1815 wird ein gedrucktes Liederblatt in der Ramsau verbreitet. Kiems Veröffentlichung fußt wohl auf diesem Text, der durch Hörfehler und mündliche Überlieferung leichte Änderungen erfuhr.

  1. Wunderbar sind Gottes Urteilswege, / unerforschlich führt uns seine Hand; / jung und sorglos laufst du muntre Stege / und dein Fuß tritt schon des Grabes Rand. / Hört, was sich mit mir hat zugetragen: / kennt ihr eure Schwester Gertraud Schwab, / wie ich schreckensvoll in jungen Tagen / auf den Bergen fand mein Grab.
  2. Dreizehnjährig zog ich schon mit Freuden / auf die hohe Diesbach und Hochries (Hochwies), / da das väterliche Vieh zu weiden, / weil ich schon die Jörgen-Senndin hieß. / Über Schroff und Kluft stieg ich behende, / keine Furcht stört meinen frohen Sinn; / dennoch fand ich hier des Lebens Ende, / plötzlich rafft der Tod mich hin.
  3. Morgens tags vor Bartlomäus-Feste / ging um Schaf von Mitteralp ich fort; / auch der Hüter ging und sagt aufs beste, / daß er komme ans bestimmte Ort. / Und von da, der Ort hieß auf dem Flecken, / sollt er rück mich weisen durchs Labkar; / einen Pfad, den Stein und Strauche decken, / den ich vorher nie gegangen war.
  4. Bange war die Nacht mir hingeflossen, / ohne daß ich wußte, was mir fehlt; / meinen Weg ging ich doch unverdrossen, / stieg Hochries zu, wie es war bestellt. / Regen fiel und bald fings an zu winden, / und der Regen wurde dicker Schnee, / mühsam nur konnt ich die Pfade finden, / gleitend über Schneid und Höh.
  5. Glücklich war im Sturm ich doch gekommen / vom Seehorn ab ans bestimmte Ort, / der Gefahr glaubt ich mich nun entronnen, / Hüter führt den letzten Pfad mich fort. / Als ach kein Hüter war zu finden, / lang schon war der Alte umgekehrt, / bei solch Schneegestöber weitergehen, / hielt er unnütz, unerhört.
  6. "Gott", rief Gertraud jetzt nach langem Harren, / "was wird mir Verlassnen nun geschehn, / soll ich da mit dreiundzwanzig Jahren (?) / einsam, jammervoll zugrunde gehn! / Schnee umgibt mich, traurig Winde tragen / mein Geschrei bis auf Kaltbrunn hinan, / doch wer denkt, daß das, was sollte sagen, / einer hörts und geht davon.
  7. Nacht bricht an und meine Kräfte schwinden, / deinen Willen bet ich an, o Herr, / Vater, ach vergib mir meine Sünden, / hilf mir, Menschen helfen mir nicht mehr! / Mutter, die du erst mir vorgegangen, / sterbend folgt dir deine Tochter nach, / nicht mehr kann ich scheidend euch umfangen / Vater, Bruder, Schwestern, ach!
  8. Alpgefährtin, sieh, mit Todesschmerzen / sag ich dir das letzte Lebewohl, / Hüter, ich verzeihe dir von Herzen, / bete oft für mich, gehab dich wohl! / Senndinnen der nahen Alpenweiden, / lebet wohl, ich sterbe, denkt an euch. / Jesu, o Maria! Herr, dein Leiden / helf mir, nimm mich in dein Reich!"
  9. Gertraud, Gertraud, ach, du bist verlassen, / allzuspät fing man zu suchen an, / leider kams nicht früher uns zu Ohren, / und umsonst sucht dich dann jedermann. / Dir wird bald dein Seelenamt gesungen, / ob dein Leib gleich unentdecket war, / gar kein Suchen hat uns mehr gelungen, / so verging ein langes Jahr.
  10. Endlich, sieh, am Bartlomäus-Feste, / fand man sogleich dich am leichtsten Ort, / vierzig suchten, leider deine Reste, / und dein Seelenhirt war auch mit dort. / Kaum noch war das Suchen angefangen, / alle Schlucht soll heut durchsuchet sein, / traf ein Jäger, der vorausgegangen, / auf dem Flecken dein Gebein.
  11. Dort erhebt sich nun ein Denkmalshügel, / der uns ernst durch deinen Tod anspricht, / und des Kirchhofs heilger Erde Siegel / decket dein Gebein bis zum Gericht. / Groß ist Gott in seinen Urteilswegen, / unerforschlich waltet seine Hand, / immer strahle uns sein Aug entgegen / auf dem Pfad ins Vaterland!

Qu: KP, S. 268, "Strophe 2: Das Anwesen, von dem die Senndin her war, hieß Jörg-Anwesen. Strophe 3: Sie mußte die Schafe suchen; es war verabredet, sie sollte sich mit einem Hirten an einem bestimmten Ort treffen, der kam aber nicht. Strophe 4: Sie hatte tags zuvor einen unruhigen Traum. Strophe 6: Eine Alm auf Rufweite! Ein Hüterbub beachtete die Rufe nicht. Strophe 9: Abnorm tiefer Schneefall trat ein bis auf 1000 Meter herunter, so daß das Vieh zu Tal getrieben werden mußte! 24.-27.August 1813. Das Lied habe ich von Herrn Kriß, Berchtesgaden, mit Noten bekommen."
TA: Eva Bruckner, Herbert Lagler (Zither), Trachtenheim Hittenkirchen, 13.10.1991, TRL 0078.