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Text zu: Meister Müller oder: Die ertrunkene Müllerstochter

  1. Meister Müller tut nachsehen, / was in eurer Mühle ist geschehen, / denn das Rad, das bleibet freiwillig stehen, / so als wollt etwas zu Grunde gehen.
  2. Frau Müllerin sprang auf die Kammer, / schlug die Händ oberm Kopf zusammen: / Haben wir nur das einzige Töchterlein, / das wird uns wohl ertrunken sein!
  3. Ach Weib, um Gottes Willen, / laß nur Gott sein' Willen erfüllen; / denn wir beide, wir sind ja nicht Schuld daran, / und was Gott tut, das ist wohlgetan.
  4. Übers Wasser bin ich gegangen, / das Rad, das hat mich gefangen! / Drum ziert mein Haupt mit Rosmarin, / weil ich Braut und Jungfrau bin.
  5. Eltern, eins muß ich euch noch sagen, / sechs Jungfrauen müssen mich tragen; / sie müssen mich tragen dem Freithof zu, / mich begleiten zur ewigen Ruh.
  6. Dort draußen im Rosengarten, / wo der Bräutigam auf mich tat warten, / da kamen wir alle beide zugleich / zusammen ins Himmelreich.

Karl Freiherr von Leoprechting (1818-1864) veröffentlicht in seiner Sammlung "Aus dem Lechrain. Zur deutschen Sitten- und Sagenkunde" (München 1855) diese Form einer im deutschen Sprachraum bekannten und z.B. schon 1827 (Mondsee) handschriftlich nachgewiesenen Ballade (DVA Balladen-Index F 40). Leoprechtings Liedanhang in seinem Buch ist eines der wenigen Dokumente des Volksgesanges zur Mitte des 19. Jahrhunderts im Grenzgebiet Oberbayerns zu Schwaben. Singfassung EBES 1992.

Heft: Moritaten III, S. 2. (VMA 1992). TA: Michaela Leidel und Eva Bruckner, 17.8.1995, Wohnzimmer der Familie Rosner in Haar, TTE 0022.