Navigation überspringen.
Startseite

Text zu: Sabinchen war ein Frauenzimmer oder: Trau keinem Schuster nicht

  1. Sabinchen war ein Frauenzimmer / und dennoch tugendhaft. / Sie diente treu und redlich immer / bei ihrer Dienstherrschaft. / |: Da kam aus Treuenbrietzen / ein Kerl des Wegs daher, / der wollte so gerne Sabinchen besitzen / und war ein Schuhmacher. :|
  2. Sein Geld hat er versoffen / in Schnaps und auch in Bier, / da kam er zu Sabinchen geloffen / und wollte was von ihr. / |: Sie konnt' ihm keins nicht geben, / da stahl sie auf der Stell / bei ihrer guten Dienstherrschaft / sechs silberne Blechlöffel. :|
  3. Doch bald nach achtzehn Wochen, / da kam der Diebstahl raus. / Da jagte man mit Schimpf und Schande / Sabinchen aus dem Haus. / |: Sie rief: "Verfluchter Schuster, / du rabenschwarzer Hund!" / Der nahm sein krummes Schustermesser / und schnitt ihr ab den Schlund. :|
  4. Ihr Blut tat hoch aufspritzen, / sie fiel gleich um und um. / Der falsche Schuster aus Treuenbrietzen / der stand um ihr herum. / |: Sie tut die Glieder strecken / nebst einem Todesschrei. / Den bösen Wicht tun jetzt einstecken / zwei Mann der Polizei. :|
  5. In Ketten und sogar in Banden / bei Wasser und Salat, / da hat er endlich eingestanden / die schwarze Freveltat. / |: Die Moral der Geschichte: / trau keinem Schuster nicht! / Der Krug, der geht solange zum Brunnen, / bis daß der Henkel bricht. :|

Seit der 2. Hälfte des 19. Jhdts. ist diese schauerliche Moritat vom tugendhaften Dienstmädchen im ganzen deutschen Sprachraum verbreitet. Als Leierkastenlied erklang es in den Hinterhöfen, in vielen Liedhandschriften oberbayerischer Sängerinnen ist der Text enthalten - wohingegen die typische Verbreitung über Liedflugschriften fehlt. Otto Holzapfel bemerkt dazu in seiner Liedtypen-Datei "S" (VMA 2005): "Die Figur des mörderischen Schusters wird mit Treuenbrietzen (bei Potsdam) verbunden; dort steht vor dem Rathaus (seit 1984) ein S.-Denkmal (vorher war auf diesem Sockel der Große Kurfürst). Einen histor. Hintergrund dazu gibt es nicht; der Text entstand 1847 in Studentenkreisen in Jena bzw. um 1840 in Berlin und wurde später in der Jugendbewegung verbreitet."

Heft: Moritaten III, S. 14. (VMA 1992) TA: Gesellige Runde, Sonntag, 23.4.2006 im VMA.