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Text zu: Es wollt ein Schneider wandern oder: Des Schneiders Höllenfahrt

  1. Es wollt ein Schneider wandern am Montag in der Fruah, / begegnet ihm der Teufel, hat weder Strümpf noch Schuah. / |: "He he, du Schneidergsell! / Du mußt mit mir in d'Höll! / Du mußt uns Teufel kleiden, es gehe, wie es wöll!" :|
  2. Sobald der Schneider in d'Höllen kam, nahm er sein' Ellenstab, / er schlug den Teufeln die Buckel voll, die Höll wohl auf und ab. / |: "He he, du Schneiderg'sell, / mußt wieder aus der Höll! / Wir brauchen nicht das Messen, es gehe, wie es wöll!" :|
  3. Nachdem er all gemessen hat, nahm er sein' lange Scher / und stutzt den Teufeln die Schwänzel ab, sie hupften hin und her. / |: "He he, du Schneiderg'sell / pack dich nur aus der Höll! / Wir brauchen nicht das Stutzen, es gehe, wie es wöll!" :|
  4. Da zog er's Bügeleisen raus und warf's ins Höllenfeu'r; / er strich den Teufeln die Falten aus, sie schrien ungeheu'r: / |: "He he, du Schneiderg'sell, / geh du nur aus der Höll! / Wir brauchen nicht das Bügeln, es gehe, wie es wöll!" :|
  5. Er nahm den Pfriemen aus dem Sack und stach sie in die Köpf. / Er sagt: "Halt still, ich bin schon da, so setzen wir die Knöpf." / |: "He he, du Schneiderg'sell, / geh einmal aus der Höll! / Wir brauchen keine Knöpfe, es gehe, wie es wöll!" :|
  6. Da nahm er Nadel und Fingerhut und fing zu nähen an, / er flickt den Teufeln die Nasen zu, so eng er immer kann. / |: "He he, du Schneiderg'sell, / pack dich doch aus der Höll! / Wir können nimmer schnaufen, es gehe, wie es wöll!" :|
  7. Nach diesem kam der Luzifer und sagt: "Es ist ein Graus! / Kein Teufel hat ein Schwänzel mehr, jagt ihn zur Höll hinaus!" / |: "He he, du Schneiderg'sell, / nun pack dich aus der Höll! / Wir brauchen keine Kleider, es gehe, wie es wöll!" :|
  8. Nachdem er nun hat aufgepackt, da ward ihm erst recht wohl, / er hüpft und springet unverzagt, lacht sich den Buckel voll, / |: ging eilends aus der Höll / und blieb ein Schneiderg'sell. / Drum holt der Teufel kein Schneider mehr, er stehl' so viel er wöll. :|

Das Lied von "des Schneiders Höllenfahrt" ist - nachweislich seit dem 19. Jahrhundert - im ganzen deutschen Sprachraum verbreitet. Auch in Oberbayern gehört es zum selbstverständlichen Repertoire bei geselligen Singgelegenheiten. Als Schwanklied läßt sich der Text (mit geradtaktiger Melodie) bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen (Franken, "Ebermannstädter Liederhandschrift" um 1750, Nr. 88). Auch im "Stubenberger Gesänger-buch" (Teil 2, Nr. 47) ist es handschriftlich für das südöstliche Niederbayern belegt.
Die Bekanntheit des Liedes benützte der Holledauer Musikmeister Andreas Schranner (1881-1947) aus Nandlstadt, um es im Dreivierteltakt als Walzerlied zum Tanzen und Mitsingen aufzuspielen. Diese Melodieform haben wir hier übernommen.

Heft: Moritaten II, S. 4. (VMA 1991) TA: Gesellige Runde, Sonntag, 23.4.2006 im VMA.