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Text zu: Edelmann und Schäfer oder Es trieb ein Schäfer seine Herde hinaus

  1. (Erzähler:) Es trieb ein Schäfer seine Herde hinaus, / er trieb sie wohl vor eines Edelmannes Haus. / Valleri und vallera, valleri und vallera, / er trieb sie wohl vor eines Edelmannes Haus, / er trieb sie wohl vor eines Edelmannes Haus.
  2. (Erzähler:) Der Edelmann nahm seinen Hut wohl herab / und bot dem Schäfer einen schönen guten Tag. / Alle: Valleri und vallera, valleri und vallera / und bot dem Schäfer einen schönen guten Tag, / und bot dem Schäfer einen schönen guten Tag.
  3. (Schäfer:) Herr Edelmann, setzen Sie den Hut nur wieder auf, / denn vor Ihnen steht ja nur ein armer Schäferssohn.
  4. (Edelmann:) Bist du eines armen Schäfers Sohn / und trägst doch des Edelmannes Kleider schon.
  5. (Schäfer:) Was geht das den lausigen Edelmann an, / wenn mirs mein Vater bezahlen kann.
  6. (Erzähler:) Der Edelmann ergrimmte in seinem Zorn / und griff dem Schäfer in sein lockiges Haar.
  7. (Schäfer:) Herr Edelmann, lassen Sie mir meine Haare sein, / sonst beißt mein guter Hund Sie in die Bein.
  8. (Erzähler:) Der Edelmann ergrimmte in seinem Zorn / und ließ das Holz für einen Galgen besorgn.
  9. (Schäfer:) Vorm Galgen da habe ich gar keine Bang, / es hat noch keiner damit angefang.
  10. (Edelmann:) Hast du vor dem hölzernen Galgen keine Bang, / so sollst du in einer Viertelstunde daran hang.
  11. (Schäfer:) Herr Edelmann, verschonen Sie doch mir mein junges Lebn, / ich will Ihnen fünfzig meiner Lämmlein dafür gebn.
  12. (Edelmann:) Fünfzig Lämmlein, die haben für den Edelmann kein Wert, / der Schäfer muß sterben, so's dem Edelmann gefällt.
  13. (Schäfer:) Ach, wenn das doch mein armer Vater wüßt, / der käme gewiß und errettete mich.
  14. (Der Vater tritt in den Kreis:) Herr Edelmann, verschonen Sie doch meinem Sohn das Lebn, / ich will Ihnen hundert meiner Lämmlein dafür gebn.
  15. (Edelmann:) Hundert Lämmlein, die haben für den Edelmann kein Wert, / der Schäfer muß sterben, so's dem Edelmann gefällt.
  16. (Schäfer:) Ach, wenn das doch meine arme Mutter wüßt, / die käme gewiß und errettete mich.
  17. (Die Mutter tritt in den Kreis:) Herr Edelmann, verschonen Sie doch meinem Sohn das Lebn, / ich will Ihnen fünfzig fette Hammel dafür gebn.
  18. (Edelmann:) Fünfzig Hammel, die haben für den Edelmann kein Wert, / der Schäfer muß sterben, so's dem Edelmann gefällt.
  19. (Schäfer:) Ach, wenn das doch mein armer Bruder wüßt, / der käme gewiß und errettete mich.
  20. (Der Bruder tritt in den Kreis:) Herr Edelmann, verschonen Sie doch meines Bruders Lebn, / ich will Ihnen gleich die ganze Herde dafür gebn.
  21. (Edelmann:) Eure Herde, die hat ja für den Edelmann kein Wert, / der Schäfer muß sterben, so's dem Edelmann gefällt.
  22. (Schäfer:) Ach, wenn das doch meine arme Schwester wüßt, / die käme gewiß und errettete mich.
  23. (Die Schwester tritt in den Kreis:) Herr Edelmann, verschonen Sie doch meines Bruders Lebn, / ich will eine halbe Tonne Goldes dafür gebn.
  24. (Edelmann:) Eine halbe Tonne Gold hat für den Edelmann kein Wert, / der Schäfer muß sterben, so's dem Edelmann gefällt.
  25. (Schäfer:) Ach, wenn das doch meine Herzallerliebste wüßt, / die käme gewiß und errettete mich.
  26. (Die Herzallerliebste tritt in den Kreis:) Herr Edelmann, verschonen Sie doch meines Liebsten Lebn, / ich will eine ganze Tonne Goldes dafür gebn.
  27. (Edelmann:) Eine ganze Tonne Gold hat für den Edelmann kein Wert, / der Schäfer muß sterben, so's dem Edelmann gefällt.
  28. (Schäfer:) Herr Edelmann, verschonen Sie doch mir mein junges Lebn, / ich will Ihnen eine gold'ne Krone dafür gebn.
  29. (Edelmann:) Und willst du mir eine gold'ne Krone dafür gebn, / so will ich dir schenken auch dein junges frisches Lebn.
  30. (Erzähler:) Und als der Edelmann die Krone recht besah, / da war es nichts anderes als Heu und Haferstroh.

Nach den Forschungen des Deutschen Voksliedarchivs in Freiburg ist die Ballade von "Edelmann und Schäfer" mit verschiedenen Schlußszenen im deutschen Sprachraum vom 18. bis ins 20. Jahrhundert überliefert: "Edelmann und Schäfersohn" begegnen sich; der Schäfer ist so vornehm gekleidet, daß der Edelmann ihn als seinesgleichen grüßt. Dieser wehrt ab; sein Vater sei reich. Da wird der Edelmann wütend, sperrt den Schäfersohn ein und bedroht ihn mit dem Tod, weil er mit der vornehmen Kleidung gegen die Standesordnung verstoßen hat.- Vergeblich bietet der Vater und andere Verwandte Lösegeld, Gold und viele Schafe an. Hier wird die mittelalterliche, feudale Standesgesellschaft deutlich kritisiert.
Beim Balladenwochenende des Bezirks Oberbayern in Kloster Seeon 1997 hat Heike Müns (Oldenburg) über die niederdeutschen Fassungen der Ballade referiert und zur Freude der oberbayerischen Sänger den "Schäfertanz" aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt.
Dieses brauchtümliche Tanzspiel wird mit verteilten Rollen noch heute aufgeführt: mit entsprechender Verkleidung (oder Hüten) treten der Edelmann und der Schäfer mit seinem vom einem einfallsreichen Darsteller gespielten "Hund" auf und begleiten ihren Zwiegesang mit entsprechenden Gesten. Der "Hund" greift den Edelmann an, pinkelt ihm ans Bein oder trägt mit seinen Kapriolen zur Erheiterung der Spieler und des "Volkes" bei! Um die 3 Spieler bilden die Zuschauer eine Kreis. Der Kreis kann sich auch mit Seitschritten "vorwärts" bewegen. Wir haben den Gesang etwas für oberbayerische Belange hergerichtet. EBES 1997.