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Text zu: Der Fensterstock-Hias oder Znagst hat mir mei Deandl a Brieferl zuagschriebn

  1. Znagst hat mir mei Deandl a Briaferl zuagschriebn: / warum i denn bei der Nacht gar nimmer kimm? / San d'Stiefelsohln hin, / daß i gar nimmer kimm? / Holla riadei, diriadei, dijo!
  2. Hab's Briaferl aufgmacht, hat mir's Herz im Leib glacht. / Na bin i glei furt bei der stockfinstern Nacht, / bei der stockfinstern Nacht, / daß d'Kniascheibn habn kracht. / Holla riadei, diriadei, dijo!
  3. Und wia i beim Bauern geh umma ums Eck, / da san de Höllsakara no net im Bett - / jetzt des is a Gfrett, / san de no net im Bett! / ...
  4. Und wia i so wart, ja da hats mi recht gfrorn, / in d'Händ und in d'Füaß und in d'Nasn und d'Ohrn, / ganz kalt is mir wordn, / ganz kalt hint und vorn. / ...
  5. Na fang i beim Fensterl mei Reisplwerk o, / as Deandl hat's ghört und hats Fensterl aufto, / "Steig auffa zu mir, / du woaßt as scho wia!" / ...
  6. Aft bin i beim Fensterl halt einegschloffn, / hab d'Schuah net auszogn - die habn tuscht aufm Bodn, / die Luader, die grobn, / im obern Stock drobn. / ...
  7. Kaum bin i a Zeitl beim Mensch drinna glegn, / da kimmt scho der Bauer mitm Ochsnzeam zwegm, / mitm Ochsenzeam zwegn / - und i war so guat glegn. / ...
  8. Er hat a glei richtig unter d'Hüll einigschaut / und hat mi ganz saggrisch an Arsch auffighaut. / An Arsch auffighaut, / - Bua, da hab i gschaut. ...
  9. Da gibt mir mei Deandl den heilsamen Rat: / "Steig aussi beim Fenster, bei der Tür is's scho z'spat!" / I dank für den Rat, / bei der Tür is's scho z'spat. / ...
  10. Und wia i beim Fensterl bin außekrocha, / da is mir der Fensterstock nachibrocha, / der Höllsakara / - is abibrocha! / ...
  11. Da schreit scho der Bauer: "Geh Hiasl ho ho, / geh, laß mir doch dengerscht mein Fensterstock da! / Du konnst'n net braucha / und mir geht er o!" / ...
  12. I liaßn scho da, wann i drausschliafn kunnt, / du damischer Bauer, er war dir vergunnt, / ja, er war dir vergunnt, / der oachane Hund! / ...
  13. Jetzt muaß i den Fensterstock um an Hals tragn, / koan Stoa hab i gfunden, daß i'n oba kunnt schlagn, / daß i'n oba kunnt schlagn, / den sakrischen Kragn! / ...
  14. Wia i hoamkemma bin, nimm i Hack und Sapi, / hab a ganze Stund g'arbat, bis i drauskemma bi, / bis i drauskemma bi / - aus dem Höllsakradi! / ...
  15. Des sakrische Fensterln, ja des woaß i gwiß, / wann i hundert Jahr leb, daß i des net vergiß, / daß i des net vergiß, / wia's ma da ganga is! / ...
  16. Wenn's an jedn so gangat, wia's mir is ganga, / da gang bald koa Bua mehr in d'Menschakamma, / zum Flöh zsammfanga / - mit'n Denglhamma! ...

Diese gängige Fassung der Geschichte vom Fensterstockhiasl begegnet einem unentwegt, wenn man nach Liedern in geselliger Runde fragt. Immer wieder gibt es in den Dörfern Sänger, die sich alle Strophen - in der einen oder anderen Abwandlung - merken können und den Mitsängern als "textlicher" Stichwortgeber Halt bieten. Der "Fensterstockhias", diese Geschichte aus dem (fast) wirklichen (vergangenen) bäuerlichen Leben ist eines der bekanntesten erzählenden Lieder Oberbayerns.
Bei Ansagern von Volksmusiksendungen und Sänger- und Musikantentreffen hält sich die Mär, daß dieses Lied von "Ferdinand Joly" (1765-1823) gedichtet sei. Diese Aussage, die auch Cesar Bresgen (1913-1988) des öfteren wiederholte, ist nicht zu belegen. Fest steht, daß der Text schon um und vor 1800 schriftlich fixiert war (z.B. im 2. Teil des "Stubenberger Gesängerbuches" 1796-1815). Die Melodie in der vorliegenden Form fand nach dem derzeitigen Wissensstand ihre erste Aufzeichnung 1837 durch Thomas Berger in einer (noch erhaltenen) Tanzmelodienhandschrift für "Clarinetto primo" in Inzing/Wiesmühl (heute Stadt Tittmoning). Näheres dazu ist der Dokumentation des Volksmusikarchives zu entnehmen: "Dokumente regionaler Musikkultur und Ergebnisse der Volksmusiksammlung im Raum Tittmoning und Fridolfing" (München 1994)."