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Text zu: Die Gedanken sind frei

  1. Die Gedanken sind frei, / wer kann sie erraten? / Sie fliehen vorbei / wie nächtliche Schatten. / Kein Mensch kann sie wissen, / kein Jäger erschießen. / Es bleibet dabei: / die Gedanken sind frei!
  2. Ich denke, was ich will / und was mich beglücket, / doch alles in der Still / und wie es sich schicket. / Mein Wunsch, mein Begehren / kann niemand mir wehren, / es bleibet dabei: / Die Gedanken sind frei!
  3. Und sperrt man mich ein / im finsteren Kerker, / das alles sind rein / vergebliche Werke! / Denn meine Gedanken / zerreißen die Schranken / und Mauern entzwei: / Die Gedanken sind frei!
  4. Drum will ich auf immer / den Sorgen entsagen / und will mich auch nimmer / mit Grillen mehr plagen. / Man kann ja im Herzen / stets lachen und scherzen / und denken dabei: / Die Gedanken sind frei!
  5. Ich liebe den Wein, / mein Mädchen vor allen, / sie tut mir allein / am besten gefallen. / Ich sitz' nicht alleine, / hab' hier beim Glas Weine / mein Mädchen dabei: / Die Gedanken sind frei!

Text: Soll gegen Ende des 18.Jh. entstanden sein, der Verfasser ist unbekannt. Ursprünglich war es wohl ein (relativ unpolitisches) Liebeslied (aus der Schweiz?) “Ich liebe den Wein, mein Mädchen vor allen...”, dem erst nachträglich andere Assoziationen zuwuchsen. Peter Fauser hält dagegen in seiner Arbeit (2003) über den Volksliedsammler Johann Michael Anding (1810-1879) in Hildburghausen/Thüringen (um 1850) umgekehrt das politische Lied für primär, dem ein harmloser Liedanfang hinzugefügt wurde, um es “zensurfähig” zu machen. Eine Verbreitung auf fliegenden Blättern in der Zeit um 1780-1800 ist anzunehmen. Die Romantiker Achim von Arnim (1781-1831) und Clemens Brentano (1788-1842) bringen eine eigene Textbearbeitung (Zwiegesang eines Gefangenen mit seiner Geliebten) nach einer Liedflugschrift im Band 3 von "Des Knaben Wunderhorn" (1808). - Melodie: Anonym mit Text erstmals in "Lieder der Brienzer Mädchen" (mit Begleitung des Pianoforte oder Guitarre), gedruckt in Bern 1810-1820.
Sehr häufig in Gebrauchsliederbüchern seit 1823. Schon in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts ist das Lied in Altbayern mehrfach in Liedhandschriften/Sammlungen nachweisbar (u.a. Rainding/Niederbayern um 1845). Umfangreiche Dokumentation des Liedes in mündlicher Überlieferung aus praktisch allen deutschsprachigen Liedlandschaften im DVA: seit ca. 1806 Textbelege, mit Melodie seit 1814.

Heft: S. 19. TA: am 27.10.2007 (II - Nachmittag) im VMA mit Harfenbegleitung (Hans Auer).