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Text zu: Paradeisspiel: Gott erschafft den Menschen

    Gott Vater: Im Anfang erschuf ich alle Ding, / die Erde mitsamt dem Himmelring. / Ich erschuf das ganze Firmament, / woran die zweien Liachter stehnt: / Eines dem Tag, das ander der Nacht, / das hab ich alles wohl bedacht. (Tritt zu Adam hin und rührt ihn an.) / Adam, nimm an den lebendigen Atem! / Empfang den Geist für deine Taten. / Und mit Vernunft dabei betracht, / dass ich dich hab aus Erd gemacht. / Adam, fang an zu leben! / Und tritt auf deine Füße eben. (Adam erhebt sich sehr ernst.) / Adam, sag an! Wie g'fallt es dir / - die neue Welt mit Schmuck und Zier? / Verwundert dich die Erden ganz? / - oder der schöne Sonnenglanz? / - oder des Firmaments Gestalt? / Adam, sag an, was dir missfallt, / weil ich 's von Herzen gerne wüßt!

    Adam: O Herr! Es ist aufs allerbest, / was schuf dein göttlich Majestat. / Du erschufst mich nach deinem Rat / und nach deinem Willen zu leben. / O Herr, du hast mich erschaffen eben / nach deines Ebenbildes Zier.

    Gott Vater: Adam, nimm wahr recht alle Tier, / die geb ich dir in dein Gewalt. / Die Tier am Land in vielerlei Gestalt, / samt dem Gewürm in der Erden Gruft / und alle Vöglein in der Luft / und die Fisch im Wasserstrom / - ist alles mein Geschöpf zusamm. / Ich teil mit dir mein Regiment, / ein Herr sollst du sein, ewig genennt. / Ich geb dir Gewalt über alle Baum; / hier im Garten hast du weiten Raum. / So viel Frücht darinnen hangen, / kannst du essen nach dei'm Verlangen. / Zu einer kostbaren Speis / hier in dem Paradeis. / Ich gib dir nur ein einzigs Gebot: / Nur von dem Baum der Erkenntnis des Bös' und Gut, / der in der Mitt' da wachsen tut, / von dem sollst du ja nicht essen! / Sonst wärst du ganz und gar vermessen. / Du wirst des ewigen Todes sterben / und dir die Ewigkeit verderben. / O Mensch erkenn: Ich bin dein Gott, / der dir das Leben und den Tod / kann geben und auch wieder nehmen! (Adam "sinkt wie tot zur Erde".)

Trad: Paradeisspiel "Laufener Adam- und Eva-Spiel": August Hartmann und Hyacinth Abele: Volksschauspiele. In Bayern und Österreich-Ungarn gesammelt. Leipzig 1880. S. 39 ff, Nr. VIII. Text: EBES.
Die Münchner Volksliedforscher August Hartmann (1846-1917) und Hyacinth Abele (1823-1916) haben in den 1870er Jahren Volkslieder und Volksschauspiele gesammelt. Mehrere Aufzeichnungen stammen von den Laufener Schiffleuten, die im Winter als Sänger und Spieler ihr Brot verdient hatten. Ein Paradeisspiel wurde bis ins 19. Jahrhundert in Laufen, Reichenhall und im Rupertiwinkel aufgeführt. Es wurde in Fragmenten aufgezeichnet von August Hartmann, der es u.a. auf Hans Sachs (1494-1576), den Nürnberger Schuhmacher, Meistersinger und Dichter zurückführt. Aber auch Quellen aus anderen Orten im Inntal stehen zur Verfügung (z.B. Sammlung Horak), so dass genügend Material und Gedanken für eine Wiederbelebung vorhanden war.