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Text zu: Paradeisspiel: Die Vertreibung

    Gott Vater: (spricht sehr ernst und mit lauter Stimme:) Adam, wo bist du? Komm her zu mir!

    Adam: (tritt vor, bedeckt das Antlitz mit beiden Händen.) Herr! hier bin ich. / Vor deinen Augen schäm ich mich.

    Gott Vater: Warum schämst du dich?

    Adam: Weil ich dein Gebot gebrochen hab.

    Gott Vater: Meinst du, es bleibt dir ungesühnt diese Tat? / Da ich dir den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse verbot, / sag an, wer es dir geheißen hat?

    Adam: (schlägt an seine Brust:) O Herr! ich schwör 's bei meinem Leben: / Die Eva, die du mir zur Frau hast geben, / die gab mir solche Frucht zu essen; / - des hätt ich mich ja nicht vermessen. / Einen Apfel sie vom Baume brach / und biss darein, dass ich 's selber sach / und brach also das Gebot - / das du uns gabst, o Gott.

    Gott Vater: Wo ist die Frau, die das getan? / Eva, komm her zu mir! sag an, / warum hast du das getan?

    Eva: O Herr! die Schlang hat so gehetzt, / dass ich aße zu der Letzt / von dem verbotnen Baum. / Ach, Herr! das will ich nicht mehr tun.

    Gott Vater: Erzengel Gabriel, komm her zu mir! / Diesen Auftrag geb ich dir, / dass du Adam und Eva weis / sollst schlagen aus dem Paradeis. / Du sollst meines Gartens Wächter sein / und sie nimmermehr lassen ein.

    Engel: Ich hab empfangen ein Gebot / von dem allerhöchsten Gott, / dass ich Adam und Eva weis / muss schlagen aus dem Paradeis. / Ich soll des Gartens Wächter sein / und sie nimmermehr lassen ein. (Er weist sie mit einem Stab als Schwert oder mit einer eindeutigen Armbewegung hinaus.) / So geht nur aus dem Paradeis / und baut die Erd mit ganzem Fleiß! / Für euer Leben in allen Tagen / müsst ihr selber Sorge tragen.

    Teufel: Juhe! Iazt hab i zwoa Menschen betrogn, / hab s' aus 'n Paradeis nausglogn! / Iazt will i ge schaun, dass i s' ko findn, / mit meiner Kett'n z'ammabindn. (Schlingt ihnen imaginäre Ketten um die Handgelenke, hierauf zu Gott Vater "ganz barsch, furchtbar":) / Herr Richter! Ich schrei Rach und Zeter / über Adam und Eva, die zwei Übeltäter; / weil sie dein Gebot gebrochen; / ich glaub, es bleibt nicht ungerochen. / Sie sind verstoßen in die sündige Welt; / gar trefflich das mir wohlgefällt. (Er ereifert sich immer mehr.) / Ich will mein Höll ganz tapfer hitzen, / sie müaßen mit mir zugleich schwitzen. / Ich will sie führen in mein Reich; / sie müaßen mit mir brinna und braten zugleich. / Ich will sie schliaßen in Eisen und Band, / niemand soll sie mir reißen aus meiner Hand.

    Gott Vater: (unterbricht lautstark den Teufel:) Heb dich hinweg, du Höllenhund, / weil du so schändliche Wort' lässt aus deinem Mund! / Von nun an sollst du kriechen auf deinem Bauch / und wohnen unter den Tieren auch / - und Staub fressen dein Leben lang! / Aber vor dem Tage sei dir bang: / Eine Frau wird dir den Kopf zertreten / und führen die Menschen aus ihren Nöten. / Du, Adam, hör mich an mit Forcht! / Weil du der Stimm der Schlange hast gehorcht / und gessen von der verbotenen Frucht, / so soll dein Acker sein verflucht. / In deinem Leben, in deinen Tagen / soll er dir Disteln und Dornen tragen. / Des Feldes Kraut sollst du verzehren, / durch deiner Hände Arbeit dich ernähren. / In Schweiß und Not / sollst du essen dein Brot. / Und du, Eva, sollst in deinen Tagen / schwanger werden und Kinder tragen. / Und so viel du auch haben wirst, / alle mit Schmerzen du gebierst.

    Eva: (Eva und Adam stehen mit scheinbar gefesselten Händen da.) Ach weh, mir armen Frauen, / dass ich der Schlange schenkt' Vertrauen. / Soll es denn sein, so wollen wir wagen, / was Gott uns befohlen hat, zu tragen.

    Adam: Da ich gebrochen hab Gottes Gebot, / bring allen Menschen ich große Not. / Wir müssen uns machen auf die Reis, / verlassen das schöne Paradeis.

    Engel: So geht hinweg aus Gottes Garten! / In Mühsal und Dunkelheit werdet ihr warten, / bis dass erfüllet ist die Zeit, / und Gott Euch schenkt Barmherzigkeit! (Der Engel weist Adam und Eva mit eindeutigen Armbewegungen hinaus. Daraufhin schließt das Instrumentaltrio das "Paradeisspiel" ab und leitet zu den nächsten Szenen über.)

Trad: Paradeisspiel "Laufener Adam- und Eva-Spiel": August Hartmann und Hyacinth Abele: Volksschauspiele. In Bayern und Österreich-Ungarn gesammelt. Leipzig 1880. S. 39 ff, Nr. VIII.
Die Münchner Volksliedforscher August Hartmann (1846-1917) und Hyacinth Abele (1823-1916) haben in den 1870er Jahren Volkslieder und Volksschauspiele gesammelt. Mehrere Aufzeichnungen stammen von den Laufener Schiffleuten, die im Winter als Sänger und Spieler ihr Brot verdient hatten. Ein Paradeisspiel wurde bis ins 19. Jahrhundert in Laufen, Reichenhall und im Rupertiwinkel aufgeführt. Es wurde in Fragmenten aufgezeichnet von August Hartmann, der es u.a. auf Hans Sachs (1494-1576), den Nürnberger Schuhmacher, Meistersinger und Dichter zurückführt. Aber auch Quellen aus anderen Orten im Inntal stehen zur Verfügung (z.B. Sammlung Horak), so dass genügend Material und Gedanken für eine Wiederbelebung vorhanden war.
Text: EBES.