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Text zu: Die Befreiung von Wien - 12. September 1683

Nach der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 breitete sich das Osmanische Reich weiter nach Westen aus. Schon 76 Jahre später war der ganze Balkan dem Sultan untertan und die Türken standen 1529 erstmals vor Wien. Unter dem Habsburger Militär Niklas Graf Salm (1459-1530) konnte eine Eroberung durch Sultan Soliman abgewehrt werden.
Angestachelt durch ungarische Separatisten und in der Hoffnung, die Stadt durch eine vorangegangene Pestepidemie geschwächt vorzufinden, begann am 14.7. 1683 der türkische Großwesir Kara Mustapha abermals mit 200.000 Mann Wien einzuschließen und zu belagern. Der Kommandant der Verteidiger war Ernst Rüdiger Graf von Starhemberg (1635-1701). Rund zwei Monate widerstanden die Verteidiger den Stürmen der Türken. Dann kam ihnen ein Reichsheer zu Hilfe, das unter der Führung von Johann Sobieski, König von Polen, die Belagerer schlug und nach Ungarn zurückdrängte. Mit in vorderster Linie und maßgeblich am Sieg beteiligt war auch der junge Kurfürst Max Emanuel von Bayern.
Das Lied schildert zunächst die verzweifelte Situation während der Belagerung und die Versuche, die demoralisierten Verteidiger durch das Hissen der christlichen Symbole auf dem Stephansturm aufzurichten. Dann die Befreiung durch das Entsatzheer. Man jubelt neben dem Grafen Starhemberg auch dem Kardinalprimas von Ungarn und Bischof von Wiener Neustadt, Leopold Graf Kollonitsch (1631-1707), zu, der sich ebenfalls unter den Verteidigern hervorgetan hatte. Das Lied zählt dann die Befreier und ihre Tugenden auf: den österreichischen Durchhaltewillen, die Kraft des bayerischen Löwen, den Polenkönig Johann Sobieski, Karl von Lothringen und die Ritter von Elbe, Main und Rhein, d.h. aus Preußen und aus dem fränkischen und schwäbischen Reichskreis. Die Starhemberger dürfen seit diesem Ereignis den Stephansturm im Wappen führen. (wk)

  1. Ein Falke späht vom Felsennest, / so weit, so weit ins Land, / er späht nach Ost und späht nach West, / hinab, hinauf den Strand.
  2. Der Falke ist Graf Starhemberg, / hoch auf dem Stephansturm, / doch Türken nur und Türken nur / sieht nahen er zum Sturm.
  3. Da rief er zorn- und kummervoll: / Die Not, die klag ich Gott, / dass man mich so verlassen hat, / dem argen Türk zum Spott.
  4. Nun pflanz ich auf dem Stephansturm, / die heil'ge Kreuzesfahn, / ihr Sinken klag den Christen all, / dass wir dem Falle nahn.
  5. Und sinkt die Fahn vom Stephansturm, / dann stehe Gott uns bei, / dann decke sie als Leichentuch, / den Starhemberger frei.
  6. Der Sultan rief dem Starhemberg: / Bei Allah, hör mein Wort, / ich werf die Fahn' vom Stephansturm / und pflanz den Halbmond dort.
  7. Ich mache Wien zur Türkenstadt, / Sankt Stephan zur Moschee, / ich reiß die Maid aus Mutterarm / und bring dem Bruder Weh.
  8. Der Sultan und der Starhemberg, / die sprachen fürder nicht, / denn mit dem ehrnen Feuermund / das Feldgeschütz nun spricht.
  9. Ach Stephan, heil'ger Gottesmann, / sie warfen dich einst tot, / wie bringen sie nun auch dein Haus / durch manchen Wurf in Not.
  10. Jetzt ist, o Wien, dein bester Schild / des Starhembergers Brust, / wie trifft so gut sein scharfes Schwert, / wie schwingt er es mit Lust.
  11. Und neben ihm steht Kollonits, / ein Bischof gotterfüllt, / des milde Hand die Schmerzen all / der wunden Helden stillt.
  12. Die Fahne auf dem Stephansturm / wohl sechzig Tage stand. / Es hielt sie fest der Starhemberg / mit seiner treuen Hand.
  13. Die Fahne auf dem Stephansturm, / die fangt zu wanken an, / was hilft, ach Gott, ein Wundermann, / wenn hundert Feinde nahn.
  14. Die Fahne auf dem Stephansturm, / sie wankt, sie sinkt, sie richt. / Nun helf uns Gott, ruft Starhemberg, / denn länger halt ich's nicht.
  15. Der Türke ruft in stolzer Lust: / Allah, der Sieg ist dein. / Gefallen ist die Kaiserstadt, / der Kaiserthron ist mein.
  16. Von Hörner- und Trompetenschall / tönt plötzlich da ein Klang. / Heil Kollonits, heil Starhemberg, / so ruft ein Schlachtgesang.
  17. Es tönt so froh, es tönt so hell, / als ging's zu Tanz und Wein. / Das ist die deutsche Ritterschaft / von Elbe, Main und Rhein.
  18. Es tönt so stark, es tönt so tief, / als zög der Sturm herbei, / von Österreich ist's die Heldenkraft, / von Bayern ist's der Leu.
  19. Es tönt die wilde Meeresflut, / die hoch sich hebt am Strand. / Sobieski ist's, der Polenfürst, / ein Held gar wohlbekannt.
  20. Der Türke rauft im Grimm sein Haar, / von Rachelust entbrannt, / und mordet die Gefangnen all / mit kalter Mörderhand.
  21. Nun eilt, ihr Helden, eilt herbei, / zum Kampf so hart und heiß, / zu retten heut die Christenheit, / das ist des Kampfes Preis.
  22. Ein Feuer war das Christenheer, / von heilgen Mut entbrannt, / so brach es auf die Türken ein, / ein Blitz von Gott gesandt.
  23. Der Lotharinger stritt voran, / die Polen folgten nach, / doch keiner zählt die Helden all / von jenem Ehrentag.
  24. Die Türken standen mutig erst, / dann wichen sie zurück, / dann brach das Feuer durch sie durch, / zu Rauch war nun ihr Glück.
  25. Ein weites, weites Leichenfeld / ward rings das Donautal, / dort sank in Staub der Türken Stolz, / dort steht ihr Ehrenmal.
  26. Mit Pauken- und Trompetenschall / und Freudenfeuerschein, / so zieht geschmückt das Christenheer / ins freie Wien nun ein.
  27. Und noch steht auf dem Stephansturm / das Kreuz der Christenheit, / zum Zeichen, wie vereinte Kraft / die Kaiserstadt befreit.

Qu: Liedgestaltung durch Karl Müller 1980er Jahre. Text nach "Deutscher Balladenschatz" (Bayreuth 1983); Melodie nach "Im Jänner führn ...", Slg. Liebleitner 418, Volksliedarchiv NÖ/Wien. TA: Karl Müller mit Drehleier, München 2001 für das VMA.