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Text zu: Der Tod des Kronprinzen - 1699

Dieses umfangreiche Lied stellt in einem Dialog zwischen den Bauern Stöffel und Jodel dar, wie die Nachricht vom plötzlichen Tod des Kurprinzen Joseph Ferdinand in Bayern (1692-1699) aufgenommen wurde. Der Kurprinz, Sohn des Kurfürsten Max Emanuel und der Kurfürstin Maria Antonia, einer Tochter Kaiser Leopolds I., war vom kinderlosen König Karl II. von Spanien für die Nachfolge auf dem spanischen Thron vorgesehen. Als sich diese Option eröffnete, ließ Max Emanuel den stets kränklichen Kurprinzen 1697 nach Brüssel bringen, von wo ihn der Weg dann nach Madrid führen sollte. Dort erkrankte der Kurprinz jedoch heftig und verstarb am 6. Februar 1699. Schnell machten Gerüchte die Runde, der Prinz sei vergiftet worden.
Zugleich hatte sich der Kurfürst in gigantische Schulden gestürzt, um dieses spanische Abenteuer zu finanzieren. An den Schulden sollte Bayern ein halbes Jahrhundert, bis in die Regierungszeit des Kurfürsten Max III. Joseph (1727/1745-1777), zu tragen haben.
Aus den Erläuterungen des Liedtextes durch August Hartmann und wb: (1. Strophe) Pfoad: Hemd; (2.) Stoir nit klecka: die Steuer reicht nicht aus; (3. ) Schragen: Totenbett; (4.) meinoad: auf meinen Eid (bekräftigend); (5.) Politn: Geld-, Börsennachrichten (vgl. Bulletin); (6. ) Boaschrot: Verletzung eines Knochens, hier wohl eher die Krankheit allgemein; (7.) des Kaisers E’l: des Kaisers Enkel; (8.) Spachten: Gerede; (10.) Zäscheigeld: Zechinen, Goldmünzen; (11.-15.) Geldwechsel: Aufgrund des schwankenden Wechselkurses, dem der Geldtransfer zwischen dem Kurfürstentum Bayern und den Spanischen Niederlanden unterworfen war, eröffneten sich für Unterschleif und Korruption viele Möglichkeiten. Als besonders ärgerlich empfand die Bevölkerung die unkontrollierten Finanztransaktionen zwischen den Beamten der bayerischen Finanzadministration und den als Wechsler fungierenden Hoffaktoren. Ziel der Kritik war die Familie des Wiener Hofjuden (Hoffaktors), Armeelieferanten und Financier des Kaiserhauses, Samuel Oppenheimer (1653-1703), der zum öffentlichen Sündenbock für alle Unregelmäßigkeiten instrumentalisiert wurde. (18.) Landschaft: Versammlung der bayerischen Landstände; (20.) Reputazen: Reputation, Wertschätzung; Batzen: kleine Münze im Wert von vier Kreuzern; (21.)Hätt ma no den Fürst heroben: Max Emanuel befand sich zu dieser Zeit ständig in Brüssel als Statthalter der spanischen Niederlande; (22./23.) spanisch Suppen, spanisch und französisch Tropfa: Verdacht der Ermordung des Kurprinzen;
(26.) Klage darüber, dass der Kurfürst die Franzosen seinen bayerischen Landeskindern vorzieht; (27.) ge: Füllwort; (28.) lebn in 'n alten Kaisa nei (altes Sprichwort): sie zechen, ohne zu bezahlen; (29.) Präsent: Schmiergeld. (wk)

  1. (Stöffel, Mel. 1, ungerade Strophen:) O mei Jodel! hast g'hört blasen, / Oan renna g'sêcha wie an Hasen? / Hat ang'hat a schwarzi Pfoad. / Mei! was wird a do no bringa? / Fürcht, a tuat uns etwa vorsinga / G'wis vor 's Land a großes Load.
  2. (Jodel, Mel. 2, gerade Strophen:) Dö schwarz Pfoad tuat mi â schrecka. / Sorg', es ko koa Stoir nit klecka, / Muaß g'fárbi sei da Bot. / Wird ja unsarn Fürstn nit b'deuten / Oda daß ma dem Prinz muaß läuten / Dö Totenglock? b'hüat uns Gott!
  3. Los', was dort zwoa Herrn tuan sagen! / 'S Prinzel leit schon auf dem Schragen, / Dös ma nácht hat wecka g'führt. / I ho mei Lebta nichts g'sêcha / Dalkats, das hätt kinna g'schecha, / Daß de Gfahr hat neamad gspürt!
  4. Ja meinoad! i ho ma's lang scho denkt: / Nichts wâr besser als wâr er g'henkt, / Der dem Fürsten gebn den Rat, / Daß ma an so junga Herren / Des spanischen Bluats lassen kehren / In die Fremde nachi hat.
  5. Jodl, du tuast as nit vaste, / Wia 's tuat untar'm Fürsten gê. / Haben ganz an andern Sinn. / All ihr Tuan und all ihr Wesen / Sie aus da Politn herlesen; / In Land und Leut sie suacha G'winn.
  6. Scho längst hast g'hört - beim Sakrament! - / Daß, wenn da Boaschrot nit so b'hend / Unsa Prinzel wecka g'numma, / Hätt a ja vor allen Andern / Müassen zu den Spaniern wandern; / Kron dö hätt a g'wis bekumma.
  7. Das ist g'wis, was du tuast sagn, / Daß ma d'Kro ihm hat antragn. / Weil er ist des Kaisas E'l / Aus dem spanisch Bluat geboren, / Hat ma 'n zum Infant erkoren, / Derf nimm'r essen bayrisch Knöd'l.
  8. Stöffl! hast nit a nârisch Spáchten. / Gelt? es wird den Alten áchten, / Daß a hat so ga geschwind / Hoffnung, Geld und Alls valoren. / Muaß ihn machen recht verworren; / Zugleich hin ist samt dem Kind.
  9. Hamma nit tragn müssen z'samma? / Ist uns kâm blieben da Sama, / Wenn ma d'Stoia lösen wolln, / Daß ma nur die Niederlanden / Dem Prinzel bringet zuhanden, / Die er hiat besitzen solln.
  10. Zäscheigeld und anda Münzen / Klaubt ma z'samm für unsern Prinzen / Was ma g'funda hat allhier, / Mußte in das spanisch Flandern / Zum Kurfürsten hina wandern; / Kâm bleibt etwas übrig schier.
  11. Wechsel muaß ma hina macha, / Daß ei'm grad das Herz möcht kracha, / Und, was noch das mehrist ist, / Tuat 's da Fürst kâm halb bekemma. / Wechsler dö tuan weckanemma, / Halten unser Gold für Mist.
  12. Mei Gott und Herr! es wâr scho recht, / Wenn nit 's Fürsten eigne Knecht' / Sie tâtn unter Juden mischen, / B'scheißn den Fürsten hint und vorn, / Bliesen z'samma in oa Horn, / In sei'm Beutel tâten fischen.
  13. Ho 's nächst g'sagt: zum Oppahâma / - Wann i 's sag, tua i mi schâma - / Habn si unsre Leut gesellt / Nur damit s' den Fürsten lausen, / Könna lebn in lauta Brausen. / Jodel, schau, wie's dir gefällt!
  14. Gelt? i wollt die Schelma putzen, / Hier und dort dö Köpf abstutzen, / Wollt ihna das Mausen zeign. / Alle ließ' i sie aufhenka. / Der ma s' aufstâch, tât i b'schenka. / All ihr Geld macht' i mir eign.
  15. Wann da Fürst die Leut tât ropfa, / Kunnt 'r sein'n Schuldnern 's Maul recht stopfa. / Viel von seinen Geldern zahln. / D' Untertana, so 's ihm abg'nomma, / Nâm i z'samm in oana Summa. / So tât i sie hau'n amal.
  16. Alles tât mi ja nit roia, / Wann i nur dörft recht abbloia / D' Schelma, dö das Prinzel weg. / Moa, i moa, i wollt sie lohna, / Daß s' so schelmisch, unbesonna / Unsern Fürsten g'führt in Dreck.
  17. I glaub, es wâr denno g'schêcha. / Da Spanier hätt g'nomma Lêcha, / Wann er scho nit g'wesen drunt. / Ma hätt ihn scho könna schona; / Wär ihm doch blieben die Krona. / Mit Recht man ihm s' nit nemma kunnt.
  18. Schau! das tuat mi â verdrießen, / Daß die Landschaft b'schenka müssen / Den, der 's Prinzel nachi hat, / Da ma doch dem deutschen Holer / Nit das g'ringste hat vergolten, / Wie er 's in 's Land bringa tât.
  19. Wárla! bin an arma Schlucka. / Alles wollt i wecka jucka, / Küa und Kalben darum gebn / Um 's liab Prinzel, unsa Herrl, / Unsa Freud und Herzens-Perl, / Wann es noch sollt sein im Lebn.
  20. Jetzt ist fast hi all unser Wesen, / Als wann 's vorhi nie wâr g'wesen; / Ist gesunka in die Erd. / D' Gelder habn koa Reputazen; / Möcht um Alles gebn koan Batzen. / Kro und Thro sánd â umkehrt.
  21. Wird nit iazt da Franzos lacha, / Daß verlorn des Kurfürsts Sacha, / Hi sánd samt der Bauern Schwoaß? / Hätt ma no den Fürst heroben, / Wollt ma endli no guat leben, / Leicht vergessn dö spanisch Goaß.
  22. Dessel ist a groba Possen. / Fürcht, die Goaß dö hat â g'stoßen / Unser Prinzel in die Grub. / Denn ma sait, die spanisch Suppen / Pflegen Dieb' mit Gift zu stuppen. / Schau! so geht's, mei lieber Bub!
  23. Woaß, es ist scho öfta g'schêcha. / Wo ma Oan nit gern tuat sêcha, / Richt't ma si auf solche Weis / D' spanisch und französisch Tropfa. / D' Welschen künna â vastopfa / 'N Leuten 's Maul mit gift'ta Speis.
  24. Schau! was sámma dô für Lappen, / Trachten um a Königskappen / Mit dem Prinzel auf den Thron! / Den Ausländern danno trauet / Alls, auf welsch Franzosen bauet; / Ihna gibt ma dopplat Lohn.
  25. Soll denn in den bayrisch Landen / Koa treu'r Deutscha sein vorhanden? / Renn'n dann d' welsch Franzosen vor? / Bayrisch Geld da Fürst dô liebet, / Unsern Beutel wacker kliebet, / Wenn a Bayrn müssn hebn empor.
  26. Ho 's oft g'hört, mei liaba Nachbar: / Koa Landskind dem Fürsten achtbar; / Derfa nit viel vor sei G'sicht. / Wenn ma vo ihm will was haben, / Muaß ma nur an Welschen laben, / Daß er oam das Wort vospricht.
  27. Auf mein'n Oad! aber unser Adel / Ist dahin ge voller Tadel, / Leidet Alles mit Geduld. / Beim Tabak, Weißbier sö sitzen, / Nit viel in den Büchern schwitzen, / Lassen s' liegen auf 'm Pult.
  28. Schau! mir Bauern müssen merka, / Daß d'Herrn itzt nichts Guts mehr wirka, / Lebn in 'n alten Kaisa nei, / grob und faul seins, fressen, trinka; / Stets muaß 's Maul vom Weinfaß stinka. / Tuan Koan etwas auf 'n Schein.
  29. Ja, ma sagt: s' wolln habn Präsent. / Gleich muaß ma schmiern ihre Händ. / Willst du anderst etwas g'winna. / Jodel! wannst nichts hast zu schenka, / Droht ma dir g'schwind mit'n Henka; / Schreia, als wârn sie vo Sinna.
  30. Umkehrt ist ja alle Welt. / Jeda tracht't nur nach Gunst und Geld. / Kloa und Groß sánd alle gleich. / D'Fürsten, d'Graf'n, all unsre Herren / Künna nichts als uns wacka scheren; / Drum so trachten s' ohne Scheuch.
  31. Ja! sie sánd so große Narren; / Führn d' Ausländer auf den Karren / Und sie gehen selbst zu Fuß, / Tun vor sie das Füßlein zucka, / Fast bis zu der Erden bucka; / Leiden billig diese Buß.

Qu: Der Text ist ohne genauere Angaben als "Klagliedl Zwayer Bayrischen Bauren, yber den laidig Todtfahl des Chur=Prinzens" veröffentlicht bei Birlinger "Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen" (Braunschweig 1868), zitiert nach August Hartmann und Hyacinth Abele: "Historische Volkslieder und Zeitgedichte" (2. Band, München 1910, Nr. 123, umfangreiche Anmerkungen, u.a. auf einen Textbeleg in Schmellers Bayerischem Wörterbuch 1827), Neufassung und Melodien, EBES 2006. TA: Gerhard Holz ("Stöffel"), München; Josef Pfleger ("Jodel"), Attenkirchen; Zither: Hans Eibl, Kirchheim; VMA 18.4.2006.