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Text zu: Überfall auf Ulm und andere Reichsstädte - 1702-1703

Am 8. September 1702 nahm Kurfürst Max Emanuel die Reichsstadt Ulm im Handstreich, als erste gezielte Provokation gegen Kaiser Leopold I. In den Tagen zuvor hatten bayerische Soldaten, als Reisende und Bauern verkleidet, die Stadttore und wichtige Gebäude besetzt. Mit diesem Trick, im Liedtext als "Witz" bezeichnet, gelang es, ein militärisches Blutvergießen zu vermeiden. Die Ulmer Garnison kapitulierte kampflos. Dieser "Sieg" wirkte auch auf andere schwäbische Städte; Memmingen und Dillingen ergaben sich ebenfalls den bayerischen Truppen. Die bayerischen Untertanen waren über diese "Heldentaten" ihres Kurfürsten erschrocken und ebenso verstört, wie die unmittelbar Betroffenen. Auf dem "Immerwährenden Reichstag" in Regensburg verhandelten bayerische Diplomaten mit den Gesandten des Kaisers. Der bayerische Adel und die Geistlichkeit waren kaiserlich gesinnt, sodass Max Emanuel im November 1702 an den französischen Marschall Louis Hector de Villars entsetzt schreiben musste: "Das ganze Land ist gegen mich." Grund für diesen verstörenden Alleingang des Kurfürsten war sein Bündniswechsel auf die Seite Frankreichs, des großen Widersachers der Habsburger. Marschall Villars marschierte mit 30 Bataillonen und 40 Eskadronen über den Rhein Richtung Schwarzwald, um sich dort mit den bayerischen Truppenverbänden zu treffen. Angesichts dieser drohenden Militärmacht versuchte Salzburg, als unmittelbar an Bayern angrenzendes Land, eine neutrale Position einzunehmen, während sich die Reichsstädte im Norden, wie Nürnberg und Nördlingen, auf die Hilfe des Kaisers hoffend, eher feindlich abweisend verhielten. Leidtragende dieser politischen Kehrtwende war die Zivilbevölkerung, die erste Übergriffe der Soldaten beider Seiten zu erdulden hatte. Hier nahm das Drama seinen Anfang, das drei Jahre später in der Flucht Max Emanuels aus Bayern und der völligen Besetzung des Landes durch die Österreicher enden sollte. (wb)

  1. Ulm wurd bayrisch durch die Witz', / Augsburg durch das scharpfe G'schütz. / Regensburg gab sich mit Accord, / Passau auf drei milde Wort'.
  2. Memming, Kempten auf vier Schuß, / Schöpften Grausen und Verdruß, / Unterwurfen sich fein g'schwind, / Eh das Feur sich mehr entzündt.
  3. Neuburg, Kopfstein waren wild, / Bis der Löw sie angebrüllt; / Da sie sahen seinen Zorn, / Gaben sie sich auch verlorn.
  4. Allen Salzburg nur allein / Wollt ein g'scheits Exempel sein, / Wurd mit fremden Schaden g'scheit, / Findet Freundschaft ohne Streit.
  5. Nürnberg, Nördling auch gar bald / Werden sein in unserm G'walt. / Glaublich kommt auch vom Tirol / Jenes, was noch kommen soll.

Qu: Text in einer "Alten Handschrift" in einem Sammelband der Bayerischen Staatsbibliothek München (Cod.germ. 5973/3), zitiert nach August Hartmann und Hyacinth Abele: "Historische Volkslieder und Zeitgedichte" (2. Band, München 1910, Nr. 124) mit der Jahresangabe "1702-1703" und umfangreichen Anmerkungen. Neufassung mit Melodie EBES 2006. TA: Mühlstätter Sängerinnen (Schechen-Rosenheim), VMA 26.6.2006.