Navigation überspringen.
Startseite

Text zu: Einmarsch und Niederlage in Tirol - 1703

Im August 1702 verbündete sich Bayern mit Frankreich. In der Folge kam es zu zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen mit Teilen des Reichsheers. Vor dem Hintergrund einer heraufziehenden entscheidenden Auseinandersetzung in Bayern suchte Max Emanuel die Verbindung zu dem in Oberitalien operierenden Herzog von Vendôme herzustellen. Zu diesem Zweck sollte dieser von Süden her nach Tirol vorrücken, während ihm die Bayern und die verbündeten Franzosen über das Inntal und den Brenner oder Reschenpass entgegenkommen sollten.
Nach der Fronleichnamsprozession eilte Max Emanuel am 14. Juni 1703 nach Rosenheim, wo ca. 13.500 Mann Infanterie und Reiterei zusammengezogen worden waren.
Am 15. Juni begann der Vormarsch und im Eiltempo wurde das unvorbereitete Nordtirol überrannt: Am 20. Juni fiel Kufstein, am 23. Juni Rattenberg - und schon am 2. Juli zog Max Emanuel in Innsbruck ein. Dort wartete er auf Nachrichten vom Herzog von Vendôme, nicht ohne in dieser Zeit Aktionen in Richtung Wipptal und Brenner durchzuführen. Doch die Nachrichten blieben aus, weil die Kuriere abgefangen wurden, und während der Kurfürst wartete, formierte sich der Widerstand der Tiroler.
Bereits am 27. Juni war ein Kontingent mit 600 Mann bayerischen und französischen Truppen in Richtung Reschenpass aufgebrochen. In Landeck wurde Zwischenstation gemacht - und als es seinen Weg durch das Oberinntal fortsetzte, geriet es am 1. Juli bei der Pontlatzer Brücke in einen Hinterhalt. Zwei Drittel des Aufgebotes wurden unter Steinen begraben, von Tiroler Schützen erschossen oder ertranken im Inn, in den sich die Soldaten in ihrer Panik auf der Flucht gestürzt hatten. Der Rest, rund 190 Bayern und Franzosen, geriet in Gefangenschaft.
Während der Herzog von Vendôme noch zwischen dem Gardasee und Trient operierte, wurde die Lage für den Kurfürsten in Innsbruck immer kritischer. Der Weg zurück durch das Inntal war vom Tiroler Landsturm und regulären kaiserlichen Truppen versperrt, die die Festungen Hall und Rattenberg zurückerobert hatten. So blieb ihm nur der Rückweg über den Zirler Berg und die Scharnitz. Unterhalb der Martinswand entging der Kurfürst nur mit knapper Not dem Tod, als eine Kugel, die für ihn bestimmt war, den prächtiger gekleideten Grafen Arco tödlich verwundete.
Am 31. August 1703 verließen die bayerischen Truppen Tirol mit der Folge, dass die Tiroler Schützen im Anschluss daran in Bayern einfielen und Städte und Märkte, wie z.B. Murnau, plünderten und niederbrannten. (Vgl. auch die Erläuterungen zum Lied Nr. 12.)
Der folgende gereimte Text beschreibt den "Boarischen Rummel", wie die Aktion später im Volksmund genannt wurde, minutiös aus der Sicht der Tiroler. Als Autor wird Marx Hauser aus Landeck genannt. (wk)

    Als man zählt' siebzehnhundert und drei Jahr', / Junius das Monat genennet war, / Versammlet' Kurbayern zu Rosenheim / Im Marktfleck sehr viel Volk zusamm / Von Fußvolk und auch Reiterei. / Wußt noch Niemand, wie es darbei / Beschaffen war in diesen Sachen, / So will ich euch den Anfang machen. / Kopfstein der erste Hauptpaß ist; / Wurd angriffen mit Kriegeslist. / Wiewohl man da tät Widerstand, / Das Volk zu wenig war bei Hand. / Nach Rattenberg, auch Schwaz und Hall / Der Feind eindrange dazumal, / Innsbruck die Residenz hat auch bedroht / Mit Feuer, Schwert, Mord und Tot. / Allda er seinen Einzug hätt; / Die Stadt ihm große Ehr antät, / Bis sich das Glück tät umekehrn - / Werdet ihr bald weiter hörn. / Der Held dacht' in seinem Mut: / "Mei' Sach wird alles werden gut. / Das Land ist schon mein Eigentum; / Bricht Alls zusamm in einer Summ'." / Er nahm zu sich viel hundert Mann, / Bagaschi und Munition, / Wollt in das Etschland auch eindringen. / Aber der Handel wollt ihm nit gelingen; / Dann als er kam in 's Zollhaus am Lueg, / Fiel er in einen Essigkrueg. / Ein großes Wetter tät sich erheben; / War schier nit sicher an sei'm Leben. / Ein Schauer von Blei auf ihne kam, / Ertötet' ihm viel Roß und Mann. / Jedoch ließ sich nit schrecken das; / Eilet doch weiter fürsichbaß. / Am Brenner in dem warmen Bad / Allda man ihm gezwaget hat. / Hätt beinah seine Haut verbrennt, / Wann er nit g'wichen wär behend. / Bös' Zeitung kam ihm da zuhand, / Wie daß auf sei das ganze Land. / Von Bauern und Schützen dazumal / Versammlet sei ein große Zahl. / Das Landvolk bei viertausend Mann / Die Stadt Hall eingenommen han, / Erschlagen die Besatzung von Soldaten. / Hört weiter, wie die Schanz geraten! / Sein'n besten General er sandt' / Das Volk zu stillen da zuhand. / Erst täten sich die Bauern herfür, / Erschlugen ihn da mit Begier. / Weil ihn das Glück allda verlassen, / Erwählt' er ihm ein andre Straßen. / Alsbald von Innsbruck er sich wandt', / Zog mit sei'm Volk in 's Oberland. / Da fing sich erst das Elend an, / Daß er verlor viel Roß und Mann. / Den Paß bei Landeck miesten s' lassen / Und zogen durch ein enge Straßen. / Da wurden vom hohen Gebirg die Stein' / Abgelassen auf das Volke sein; / Die fielen herab mit großem Brausen, / Daß es dem Volk erweckt' ein Grausen. / Erschrocken war da Jedermann, / Als wann der jüngste Tag ankam. / Schlugen die Händ' über den Kopf zusamm: / Man wolle doch ihr Leben schon'n; / Begehrten Gnad um Gottes willen. / Noch ließen sich die Bauern nit stillen, / Fuhren fort noch unverdrossen; / Allda ward sehr viel Blut vergossen. / Die Stein' zerschmetterten Roß und Wagen; / Die Straßen voller Toten lagen. / Was da entrann aus solcher Not, / Ward durch die Schützen geschossen tot. / Viel täten auch in 's Wasser springen; / Man tät ihn'n so zu Bade klingen. / Das Elend, so allda geschah, / Der Kurfürst selbst mit Augen sah. / Daher wurd ihm ganz Angst und bang; / Der Jammer ihm in 's Herze drang. / Ließ manchen Seufzer aus sei'm Mund. / Verfluchen tät er da die Stund, / Erstummet ganz und sagt' nit Viel; / Das Herz ihm in die Hosen fiel. / Hat auch allda sein'n Mut verloren, / Gab seinem Roß alsbald die Sporen, / Ward flüchtig mit sei'm kleinen Hauf, / Eilt' über 'n Zirler Berg hinauf / Nach Seefeld, da zu rasten aus. / Hie ließ er seinen Zorn aus (...) / Dann er im Zorn so war entbrannt, / Weil er verloren vom Bauernstand / Sein meistes Volk in dem Tirol, / Ist ihm daher im Kopf nit wohl. / Eilt wiederum nach Haus behend / Und macht hiemit dem Krieg ein End.

Qu: Mit der Jahresangabe "1703" veröffentlicht von August Hartmann und Hyacinth Abele in "Historische Volkslieder und Zeitgedichte" (2. Band, München 1910, Nr. 125) mit Herkunftsangabe "Weitere Continuation obbeschribnen in Tyrol geschöchnen Bayrischen feintlichen Einfahls, so Marx Hauser von Landögg Reimbweis beschriben und zu Steyr in Druckh anferttigen lassen, so nachvolgenten Inhalts" (BL 182), gefunden als Anhang in einer Handschrift "in der Bibliothek des Museum Ferdinandeum zu Innsbruck, Bibliotheca Tirolensis (Dipauliana) Tom. 630, Bl. 155: 'Außfierlich warhafft Beschreibung welcher gestalten der Curfirst in Payrn Mäxmilliän Emänuell ... und darauf der fränzöschische General Vendom die firstliche Graffschaft Tyrol ... infadiert und yberzogen haben'." - offenbar eine Abschrift des Druckes "Ausführlich-warhaffte Relation Und Beschreibung, Welchergestalten Seine Chur=Fürstl. Durchl. Maximilian Emanuel, Chur=Fürst aus Bayern mit Dero und Bey=Hülff der Französischen Waffen den 17. Junii 1703 die Gefürste Graffschafft Tyrol feindlichen invadiert und überzogen. Gedruckt zu Insprugg bei Jacob Christoph Wagners seligen Erben". TA: Sprecher Karl Horak, Völs/Tirol; VMA 28.6.2006.