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Text zu: Der Bayerischen Rebellen Rädelsführer Erste Execution - 1705/1706

Das 1706 von der kaiserlichen Verwaltung in Bayern herausgegebene Propagandaflugblatt mit Liedtext und Abbildung der Hinrichtung Johann Georg Kidlers sollte Mahnung und Abschreckung für die bayerische Bevölkerung sein, sich künftig nicht mehr gegen die Besatzungsmacht zu erheben. Im Stil einer Moritat schildert der Liedtext die Verbrechen der Anführer der Oberländer Bauern, die 1705 nach der Niederwerfung in der "Sendlinger Mordweihnacht" gefasst wurden, und die Art ihrer Hinrichtung. Nach der Einleitungsstrophe, die den Ort der Hinrichtung, die Haupt- und Residenzstadt München erwähnt, wird das Ende des "Leutnants" beschrieben. Es handelt sich um den ehemaligen Studenten und kurfürstlich bayerischen Infanterieleutnant Johann Clanze, der aus dem, von einem Zweig der Pfälzer Wittelsbacher regierten, niederrheinischen Herzogtum Jülich stammte und noch 1705 auf dem Münchner Marienplatz (Schrannenplatz) enthauptet wurde. Die vierte Strophe ist dem Münchner Eisenhändler und Mitglied des Äußeren Rates, Johann Sebastian Senser (um 1665-1706) gewidmet, der als Fähnrich der Bürgerwehr die Schlüssel zur Stadtbefestigung besaß und diese an "bestellte Studenten" - als Mittelsmänner der Aufständischen - weitergab. Einer dieser Studenten war der aus dem bayerischen Innviertel stammende Johann Georg Meindl (1682-1767), Student der Philosophie an der Universität Salzburg, dem es gelang sich zehn Jahre lang - von 1705 bis 1715 - vor den kaiserlichen Fangkommissionen erfolgreich zu verstecken. Nach 1715 wurde er in den bayerischen Staatsdienst übernommen und lebte als Revierförster bis zu seinem Tod in Ried und Mauerkirchen. Die fünfte Strophe berichtet vom grausamen Ende des Münchner Weingastgebs Johann Georg Kidler (auch: Kittler, Küttler), der zu der sehr kleinen Gruppe bürgerlicher Verschwörer zählte. Er wurde 1706 auf dem Marienplatz enthauptet und sein Leichnam gevierteilt. Zur Abschreckung wurden seine sterblichen Überreste vor den Stadttoren an den vier Ausfallstraßen öffentlich ausgehängt. Die Strophen 9 und 10 sind als belehrende Ermahnung gedacht, die noch einmal die Aussichtslosigkeit solcher Volksaufstände vor Augen führen. Immerhin kam es nach 1706 zu keinem nennenswerten Widerstand der bayerischen Untertanen mehr; das Land war erschöpft. Nach 1715 versuchten Kurfürst und Regierung sehr schnell über diese Vorfälle hinwegzugehen und die Erinnerung daran offiziell zu verdrängen. (wb)

  1. Höret, was jetzo zu München vorgangen / Mit den rebellischen Führeren dort, / Deren sehr viele noch wirklich gefangen! / Viere derselben die mußten schon fort, / Welchen das Urtel zum Schwert wurd gefällt. / Dieser ihr Tod der wurd also bestellt:
  2. Erstlich so mußte der Leutenant sterben, / Der da vier Streich in den Nacken bekam, / Welcher sich einen Ruhm wollte erwerben / Und derowegen sich dessen annahm. / Aber sein Prahlen nahm bäldigst ein End, / Weilen das Blättlein sich nunmehr gewendt.
  3. Dieser hat neben dem Andern bezwungen / Alle die Bauern, die wollten nicht gehn. / Ja ja! sie haben sie also gedrungen, / Daß sie die Häuser verbrennet gesehn, / Darum mit ihme der Ander mußt dran; / Ein Adjutant war sein andrer Gespan.
  4. Drittens mußt Senser dran, dessen Verbrechen / War, daß er Pulver, Blei, Zeug und Gewehr, / Auch einen Schlüssel, ein' Schanze zu schwächen, / Denen bestellten Studenten gab her; / Wollt auf dem Anger Anführer auch sein. / Darum so mußt er erleiden die Pein.
  5. Aber der Letzte, so Küttler sich nannte / Und ein Anführer der Strafbaren war, / Wurde, dieweilen man auf ihn bekannte, / Erstlich geköpfet und g'vierteilt sogar, / Weilen zum Aufstand er Viele verhetzt, / Alles in völlige Aufruhr gesetzt.
  6. Hat auch den Weißenbierbräuer bestochen, / Daß er auch sollte bald auftun die Tür. / Aber sein Anschlag wurd auch unterbrochen; / Darum so kriegt' er Belohnung dafür. / Auch die Studenten anführen wollt er, / Gab auch viel Andern rebellische Lehr,
  7. Daß sie sich sollten zusammen bald rotten / Und dann erwürgen, was widerig war, / Wann sie bekämen die Zeichen und Boten; / Aber es fehlte der schädlichen Schar. / Darum bekam er dies Urtel zu Lohn, / Schande, Schimpf, Jammer und ewigen Hohn:
  8. Seine vier Teile die wurden gehänget / Auf die vier Straßen von München hinaus, / Alle mit eigenem Blute vermenget, / Welche zu sehen mit Schrecken und Graus, / Und sein Kopf steckt' auf dem Iserentor, / So die Rebellen eing'nommen zuvor.
  9. Schaut dann, ihr teuflisch rebellische Sorten, / Schaut, ihr Untreue, was Ende gewinnt, / Wann man rebellisch bald da und bald dorten / Solche rebellische Sachen anspinnt, / Deren Anfänger, des Teufels sein' List, / Selbsten der erste Urheber mit ist!
  10. Jeder bespiegle sich über dem Wesen, / Jeder nehm seiner Pflicht Schuldigkeit wahr, / Welcher dies höret und der es wird lesen, / Daß er entrinne der peinlichen G'fahr! / Alle Rebellen die tragen solch Lohn / Endlich mit Schrecken und Grausen davon.

Qu: Text nach Hartmann/Abele "Historische Volkslieder und Zeitgedichte" (München 1910, Nr. 141) in einer - von der Besatzungsmacht zur Abschreckung verbreiteten Flugschrift ("Altes Flugblatt" in der Sammlung Franz Mittermaier, Inzkofen/Moosburg) mit grausamer Abbildung und dem Titel "Der Bayrischen Rebellen Rädelsführer Erste Execution Lohn und Warnung. Gesangs=Weiß vorgestellt; Im Ton: Ach, daß ich Wasser und Thränen gnug hätte". Melodie erhalten von Prof. Dr. Otto Holzapfel (Deutsches Volksliedarchiv Freiburg). Gestaltung EBES 2004. TA: Dr. Günther Datz, Feichten; VMA 25.5.2004 (siehe Nr. 18 Ausstellung Höchstädt).