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Text zu: Der Friede von Rastatt - 1714

Als 1711 Kaiser Joseph I. kinderlos starb, folgte ihm sein Bruder Karl VI. auf dem Kaiserthron nach. Damit blieb die größte Macht im Heiligen Römischen Reich weiter in der Hand der Habsburger erhalten. Eine derartige Machtkonzentration wollten England und die Niederlande nicht zulassen und sogleich wurde wieder die Nähe zu Frankreich gesucht.
Nach mehreren Vorverträgen und dem Frieden von Utrecht 1713 kam es schließlich am 17.3.1714 zum Frieden von Rastatt, bei dem die Landkarte Mitteleuropas neu gezeichnet wurde. Für Bayern war das wichtigste, dass es in seinem territorialen Bestand vor dem Krieg wieder hergestellt wurde. Allerdings hatte damit Max Emanuel keines seiner ehrgeizigen Ziele erreicht: Er hatte kein Territorium hinzugewonnen, er erfuhr keine Standeserhöhung zum König - und zudem hatte er eine Unsumme an Schulden aufgehäuft, an denen Bayern noch in der Regierungszeit seines Enkels zu tragen hatte. Einzig die Vermählung seines Sohnes mit einer Kaiserenkelin kam zustande.
Sieger des Kriegs waren vor allem England und Frankreich: England gewann einige Territorien in Übersee hinzu, und vor allem die strategisch wichtige Position in Gibraltar, von wo aus man den Verkehr in und aus dem Mittelmeer kontrollieren konnte. Der Neffe des französischen Königs, der Duc d'Anjou, wurde als König in Spanien eingesetzt, wodurch Frankreich nun ganz West- und Südwesteuropa kontrollieren konnte.
In diesem Lied kommentieren die einzelnen beteiligten Staaten den Ausgang des Krieges und den Friedensschluss. Interessant ist die Rede Frankreichs, das keine Gelegenheit auslässt, den Kaiser zu schwächen. Dafür nimmt der Sonnenkönig, der sich als Verteidiger des Glaubens aufspielt, sogar den Pakt mit den Türken in Kauf. (wk)

      (Trommler/Sprecherin:) Derer Europäischen Mächte erneuetes Friedens=Interesse
      Der Friede von Rastatt 1714
      Es spricht England:
  1. Ich hab schwer und hart gestritten / Mit des Franzmanns Hochmuthshahn, / Daß er sehr um Fried mußt' bitten, / Nahme solches gar nicht an; / Doch weil Joseph itzt gestorben, / Sich mutirt die Kart sogleich, / Da nun Carol hat erworben / Spanien, Napel und das Reich.
  2. Darum hab ich Fried gemachet, / Weil ansonst das Kaiserhaus / Allzu mächtig würd', und lachet / Uns am End noch Alle aus. / Hab von Frankreich ja gewonnen / Vieles in Amerika, / Auch in Spanien mir genommen / Gibraltar und Minorka.
    • (Trommler/Sprecherin:) Es spricht Holland:
  3. Ich muß gleichfalls so es halten, / Denn zu stark darf Keiner sein, / Weil vor solchen Großgewalten / Alle andern seind zu klein. / Tauget es dem neuen Kaiser / Zware nicht in seinen Kram, / So ist es doch klüger, weiser, / Wenn man ihn was machet lahm.
  4. Darum kommt ein Fried zu Stande: / Duc d' Anjou soll König sein / In der Spanier ihrem Lande, / Carol nicht dort herrschen ein; / Ihnen aber darfür geben / Mailand, Spanisch=Niederland, / Auch Sardinien beineben - / So hat jeder g'nug an Land.
    • (Trommler/Sprecherin:) Es spricht Frankreich:
  5. Mußt' ich gleich oft unterliegen / In viel Schlachten und Gefecht, / Kann ich doch zuletzt noch siegen, / Und behalt das beste Recht. / Denn mein Anjou ist nun König, / Landau mir auch unterthan, / Und so frag ich gar sehr wenig / Nach des Kaisers Zorn und Droh'n.
  6. Kann mich etwas nur erholen / Von der Noth und Kriegeszeit, / Will ich ihm schon noch bezahlen, / Was verschweigen muß anheut! / Cölen ist mir treu und Bayern, / So restituir'n er muß, / Und die werden auch nicht feiern, / Ihme machen noch Verdruß.
  7. Wenn den Türk ich auch gewinne, / Daß er nochmals mit mir geht, / So will ich's dem Kaiser spinnen, / Daß sein Glück ganz niedergeht; / Will noch Viele auf ihn hetzen, / Alles machen turbulent, / Und nicht mich zur Ruhe setzen, / Bis das Oestreich nimmt ein End!
    • (Trommler/Sprecherin:) Es spricht Bayern:
  8. Hab ich müssen das erleben, / Daß noch kam in Reiches Acht, / So muß man doch wiedergeben, / Was man mir hat abgebracht. / Werd's noch allen den gedenken, / Die mich so geniedert schwer! / Mit der Zeit kann sich's wohl lenken, / Daß ich ihnen komm' die Quer.
    • (Trommler/Sprecherin:) Es spricht Köln:
  9. Frankreich thut mich Bruder nennen, / Zware nicht aus Lieb und Treu - / Denn den Louis thut man kennen - / Sondern er hat Nutz dabei. / Drum hilft er mir zu mein' Reiche / Als Churfürst. So wart in Ruh, / Ob ich mich mit Vortheil neige / Ihm, oder dem Kaiser zu.
    • (Trommler/Sprecherin:) Es spricht Preußen:
  10. Ich geh aus der Kriegsaffairen / Glücklich und ganz wohlbestellt; / Ein Stück Geldern thu begehren, / Valangin und Neuschatel. / Ist's zwar klein vor meine Dienste, / So dem Kaiser ich gethan, / Doch gibt es mir ein Gewinnste - / Größ'res kommt wohl hinterdran.
    • (Trommler/Sprecherin:) Es spricht Savoyen und Portugal:
  11. Ich hab gleichwohl profitiret, / Weil von Mailand was bekam, / Und Sizilien mir erküret, / Spät'r in Tausch Sardinien nahm. / Ich hab von der Siegesbeute / Nur den Ruhm erfochten mit, / Daß die Span'schen Anjou=Leute / Fortgejaget aus Madrid.
    • (Trommler/Sprecherin:) Es spricht der Kaiser:
  12. Hätt' dies falsche Engeland / Und treulose Holland nicht / Fried gemacht, zu ihrer Schand, / Hätt' ein Mehres ausgericht't. / So steh' itzt allein entgegen / Diesem Louis, der voll Trutz / Wetzet gegen mich sein' Degen, / Und macht sich die Lag zu Nutz.
  13. Hab nun, trotz Eugenii Siegen, / Doch verloren nur an Macht; / Mailand, Niederland mir nicht g'nügen, / Auch Sardinien nicht sehr acht'. / Kehl und Freiburg hab zwar wieder, / So wie Breisach in der Hand, / Doch das Straßburg kommt nicht wieder, / Und das schöne Elsaßland.
  14. Hätt' ich zeitig mich bezwungen, / Nicht auf Frankreichs Schimpf getracht, / Hätt' ich Elsaß auch errungen, / Wie's Louis schon zugesagt. / Jetzt muß ich wohl Frieden halten, / Nach so vielem Streit und Blut, / Bis sich's anderst kann gestalten, / Daß man wieder nimmt sein Gut.
    • (Trommler/Sprecherin:) Es spricht der Duc d' Anjou:
  15. Ich am besten bin gekommen / Aus dem ganzen Krieg und Streit, / Weil ein Krone mir gewonnen, / Und zu wahrer Herzensfreud. / Kann mir's denken, daß den Kaiser / Solch's verdrießet und beschwert, / Doch macht es in Zukunft weiser, / Daß er nicht zu viel begehrt.

Qu: Text nach "Altes geschriebenes Liederbuch, Antiquar Schmidt zu Schweinfurt 1833 gehörend", abgedruckt von Franz Wilhelm Freiherr von Ditfurth in "Deutsche Volks- und Gesellschaftslieder des 17. und 18. Jahrhunderts (Leipzig 1872, Nr. 101). Gestaltung und Melodie EBES 2004. TA: Sprecherin und Trommler: Regina Killermann, München und Markus Steiner, Vagen; (Strophe 1-2) Franz Xaver Taubenberger, Holzkirchen; (3-4) Georg Leidel, Bernau; (5-7) Konrad Thalmeier, Rohrdorf; (8) Alois Reitberger, Babensham; (9) Walter Schunko, Bruckmühl; (10) Werner Graxenberger, Rott; (11) Hans Pritzl und Hans Bartl, Högling; (12-14) Felix Leitner, Henndorf/Slzbg.; (15) Wolfgang Killermann, München; VMA 24.5.2004 (siehe Nr. 18 Ausstellung Höchstädt).