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Text zu: Die Rückkehr des Kurfürsten nach München - 1715

Dieses Lied setzt ganz auf eines der wichtigsten Stilmittel, die in der politischen Propaganda Anwendung finden: auf das religiös-geistliche Lied. Hier ist es der Rückgriff auf einen Choral, der in dieser Form schon aus dem 16. Jh. bekannt ist und der das Freudengefühl der Christenheit in der Osternacht über die Auferstehung Jesu wiederspiegelt. Ähnlich sollte der Kurfürst Max Emanuel gesehen werden, der nach mehr als zehnjähriger Abwesenheit aus der Verbannung zurückgekehrt war.
Nachdem sich die Kräfteverhältnisse nach dem Tod Kaiser Josefs I. und der Entmachtung Marlboroughs in Europa geändert hatten, fanden sich 1713 in Utrecht die Siegermächte ohne den Kaiser zusammen und beschlossen die Aufteilung des spanischen Erbes, wie es im vorigen Lied dargestellt wurde. Um nicht leer auszugehen entsandte 1714 Kaiser Karl VI. den Prinzen Eugen nach Rastatt, um mit dem Marschall Villars zu verhandeln. Im Frieden von Rastatt vom 6./7. März 1714 und dem nachfolgenden Frieden von Baden wurde auch Max Emanuel wieder in seine alten Rechte eingesetzt und von der Reichsacht befreit.
Nach der Regelung der Unterstützungszahlungen Frankreichs an Bayern kehrte der Kurfürst am 23. März 1715 in sein wiedergewonnenes Land zurück. Am 8. April 1715 traf zunächst das Kurfürstenpaar nach zehnjähriger Trennung in der Nebenresidenz Lichtenberg am Lech wieder aufeinander, um einige Stunden später in Elchingen bei Ulm die Kurprinzen und Kurprinzessinnen zu empfangen, die ebenfalls aus dem Zwangsexil in Graz nach Bayern gekommen waren. In der Nacht des 10. April 1715 erreichte die kurfürstliche Familie - unbegrüßt und unbejubelt - die Haupt- und Residenzstadt München. Seitens der landesherrlichen Regierung und der Landstände war ein offizielles Verbot von Freudenbezeigungen erlassen worden, eine "Verbittung allerhandt famoser Gsänger", wie es im Dekret heißt, da man sich offenbar der Zuneigung der bayerischen Untertanen nicht ganz sicher war. Das offizielle Freudenfest zur Rückkehr des Landesherrn fand an dessen 51. Geburtstag, am 11. Juli 1715, in München statt. Bereits am 22. Juni hatte die Stadtkammer, d.h. die städtische Finanzverwaltung, einem "Schreiber aus Salzburg" für seine Verse zur bevorstehenden Feier ein Anerkennungsgeld gezahlt. Es könnte sich dabei um das hier wiedergegebene Lied handeln, das in der Formelhaftigkeit seines Texts eine gewisse Distanziertheit durchaus erkennen lässt. (wk, wb)

  1. (Vorsänger:) Erstanda ist unsa Kuefürst - (Volk:) Alleluja! alleluja! / (Vorsänger:) Der unsa alla Trösta ist. - (Volk:) Alle, alleluja!
  2. Er ist erstanda aus dem Grab ... / Nach der verlogna Tiroler Sag. ...
  3. Und wäre er nit erstanda, ... / So wär Bayrland verganga. ...
  4. Nun seit daß er erstanda ist, ... / Loba mir den Allerchristlichst, ...
  5. Welcher mit Karl ihn wieda aweckt, ... / Ja all sein' Kraft daran gesteckt. ...
  6. Viel' ginga mit Vertraua, ... / Wollten zu helfa schaua. ...
  7. Zusamma kama sie z' Utrecht; ... / Aba die Sach lief ab ja schlecht. ...
  8. Es war schier keine Hoffnung mehr, ... / Daß ersteha wird unsa Herr. ...
  9. Endlich Fama ging auf Rastatt ... / Und sucht' ihr da ganz abgematt't. ...
  10. Sie fund da Martis Engel zwen, ... / Hießen Villars und Eugen. ...
  11. Sie erschrack sehr vor dem G'sicht. ... / Die Engel spracha: "Förcht da nit!" ...
  12. "Juchzet und seid nun Alle froh! ... / Denn den ihr sucht, ist nit mehr da." ...
  13. "Er ist erstanda aus dem Grab ... / Wohl an dem sechsten Märzentag." ...
  14. "In Bayrland tu nur wieda gehn! ... / Da wirst den Kuefürst wieda sehn." ...
  15. "Menrad zu sagn Solchs nit vergeßt, ... / Daß der Kuefürst nun ist erlöst!" ...
  16. Nun sei lustig, Theresia! ... / Wisch von den Augen die Träna! ...
  17. Ingleicha ihr fünf Prinza, ... / Die ihr habt müssen sitza. ...
  18. Im g'lobten Kapaun- und Mährenland, ... / Obzwar in einem guten Stand! ...
  19. Daheim ist 's gleichwohl bessa noch ... / Als sein in einem fremden Joch. ...
  20. Nun seid All froh zu diesa Frist, ... / Daß unsa Kuefürst erstanda ist. ...
  21. Zu Alla unsa großa Freud, ... / Sonderlich aller bayrischen Leut! ...
  22. Auf Regen folget Sonnenschein, ... / Auf Trauern wieda Fröhlichsein. ...
  23. Weil nun erschienen jena Tag, ... / Der uns hinnimmt all Ungemach, ...
  24. Aufgehn laßt wieda unsa Sonn, ... / Emanuel den tapfern Mann! ...
  25. Verfinsteret hat sie Eugen, ... / Der sie jetzt g'macht wieda aufgehn. ...
  26. Er hat s' uns bracht auf'n Friedenswagen; ... / Das tun wir ihm Alle danksagen. ...
  27. Nun singen Alleluja wir, ... / Trinka die G'sundheit in dem Bier. ...

Qu: Hartmann und Abele ("Historische Volkslieder und Zeitgedichte", München 1910, Nr. 145) bringen mit der Jahreszahl "1715" diesen Liedtext und den Hinweis auf die bewusste Melodieübernahme: "Nach einer wohl gleichzeitigen Handschrift aus dem Nachlasse des Geschichtschreibers Andreas Felix von Öfele (+1780) nun in der Hof- und Staatsbibliothek zu München, mir mitgeteilt durch Herrn Oberbibliothekar Georg Leidinger. Überschrift: 'Im Thon erstanden ist der heilige Christ'. Letztes Osterlied ... ist in den ersten vier Strophen unseres historischen Gedichtes imitiert; ... Sprachform ist teilweise jene der altbayerischen Mundart, doch hie und da ohne deren völlige Kenntnis den heiteren Versen verliehen ...". TA: Vorsänger: Daniel Herrmann (Anzing) und Michaela Leidel (Bernau); Volk: Markus Schmid (Kiefersfelden), Rosmarie Schlosser (Weisham), Hermann Deiss (Prien), Georg Leidel (Bernau), Martina Hollerith (Kirchheim), Marianne Stich (Anzing); Eva Bruckner, Gitarre; VMA 28.5.2004 (siehe Nr. 18 Ausstellung Höchstädt).