Navigation überspringen.
Startseite

Text zu: Wia's bei uns der Brauch ist - Der Laurenzimarkt in Mühldorf am Inn - Text

Sehr lebensnahe Beschreibung eines Markttages mit detailliert-erlebnishafter Schilderung der Marktleute und der Besucher aus der bürgerlichen und bäuerlichen Welt.

Mitte August findet dieser altherkömmliche Warenmarkt statt; eine günstige Zeit, da die Bauern ihre Ernte größtenteils herinnen haben. Die Budenstadt inmitten des weitläufigen Marktplatzes mit den italienisch anmutenden Häuserreihen gibt ein schönes Gesamtbild. Der Marmorhochbrunnen mit dem Salzburgischen Fürstbischofswappen und die Löwen am Kriegerdenkmal schauen etwas erstaunt in das Menschengewimmel. "Hast scho eingarnt?" [eingeerntet] ist meist die Frage, wenn zwei Bauern sich begegnen. Aber auch Knechte und Mägde und das Kindervolk sind in hellen Scharen da, all die angebotenen Herrlichkeiten zu bestaunen, und manches Zehnerl und Fünfzigerl findet nach längerem Überlegen den Weg in die Kasse der Budeninhaber. Was gibt es da auch alles Wunderliches! Universalkitt für Glas, Porzellan, Leder, Holz, Stein und was noch, Zigarren und Rauchwaren, Kindertrompeten, Türkischen Honig, Gefrorenes, Obst. Um 50 Pfennig bekommt man auf seine Uhr die neue Bahnzeit. Ein Auto mit Bananen übt große Anziehungskraft. Dort bläst ein Verkäufer aus einem bunten Rohr schillernde Seifenblasen, und manches Kinderauge schaut sehnsüchtig diesen unerklärlichen Wundern nach, bis sie ins Nichts zerplatzen. Die Stände mit Lebkuchenherzen, auf denen Hans, Michl, Maria, Anna usw. zuckerübergossen steht, reizen das Dienstbotenvolk zu manchem süßen Kaufe. Kleine Geschenke erhalten nicht bloß die Freundschaft, sondern auch die Liebschaft. Einen vielumdrängten Stand hat der Roßmetzger von Wasserburg, Egyd Zünhiel heißt er. Ganze Waschkörbe voll glänzend brauner Roßwürste, Leberkäse und geräucherter Kaballoschinken wandern, in Zeitungspapier gewickelt, in die großen Taschen der Landleute.
Aber hier, wo das Gedränge am dichtesten ist, steht der "billige Jakob". Sein Mundwerk ist auch wirklich bestaunenswert. "Meine Herrn Bauern, Ochsen-, Schafhammel-, Pferde- und Schweinebesitzer! Aufpaßt! Hier habe ich einen Patentgummihosenträger. Wie der springt!" und läßt ihn unters Dach seines weißroten Standschirmes schnellen. "Da reißt kein Knopf mehr aus. Da schaut's, da hab ich einen alten, einen historischen Hosenträger, den ziehen keine zehn Ochsen mehr auseinander. Diesen Hosenträger hab ich im Krieg gehabt. Jawohl. Einmal im Schützengraben, heißt's: Sprung auf, marsch, marsch! Ich renn auf, bums, reißen mir die Hosenknöpf aus, und das Unglück ist fertig. So haben wir den Krieg verloren". Weiter oben steht ein württembergischer Jakob, ein gesunder Kerl mit einem flachen schwäbischen Bauernhütlein, und verkauft Spitzen ans putzlustige Weibsvolk. Da geht ein Betrieb. "Zehn Meter Spitzen, ein Meter Zugabe – alles nur um 1 Mark."
Doch der gelungenste ist schon der "billige Jakob" mit den Kleiderstoffen. "Drei Meter wunderbaren Herrenstrapazierstoff 25 Mark, nein, 23, 22, 21 Mark, weil heut Laurenzimarkt ist, 20 Mark. Alle drei Meter 20 Mark. Ja kauft's doch ein! 15 Mark, 13 Mark – habt's euern Geldbeutel daheimlassen? Gelt, beim Roßmetzger da kauft's ein, daß euch die Hufnägel hinten rauswachsen, aber bei mir habt's kein Geld. Dann hab ich noch was anders. Prima Makkounterhosen oder Mokkaunterhosen. Herr Bürgermeister, die nehmen S' mit! Die können S' drei Jahr tragen und dann lassen S' hinten einen Zwockel neimachen, dann tragt's die Frau Gemahlin auch noch drei Jahr. Dann hab ich noch was anderes: einen Glasschneider. Das ist das Herrlichste und Praktischste, was es überhaupt gibt. Da sitzt an kalten Winterabenden die ganze Familie um den warmen Ofen herum, und kann Glasschneiden und Sch– Scheibendrucken, das schönste Wintervergnügen für die deutsche Familie. Aber schnell zugegriffen, um 1/2 5 Uhr muß ich mit dem Luftballon nach Flossing fahren, da tun zwei alte Weiber Arschtauschen."
In den Wirtshäusern unter den Bögen entwickelt sich ein feuchtes Leben. Gar manches Kalb und Schweinlein mußte sein Leben lassen, um in Form von Braten und Würsten am Markttag vertilgt zu werden. Der Turmbräuhansi fährt zweispännig den Bierwagen, da und dort wieder mit neuem Gerstensaft nachzuhelfen. Manch einem steigt bei der Sommerhitze das Bier in den Kopf; aber so er Krach machen will, fliegt er, von starken Armen gefaßt, kraftvoll hinaus.
Allmählich verlaufen sich die Jahrmarktbesucher. Die Verkäufer packen ihre Siebensachen in Kisten und Körbe. Mit dem Zuge, mit Fuhrwerk und Fahrrad ziehen die Scharen wieder heimwärts. "Gelt", sagt die Reichenberghammer-Liesl zum Babinger-Sepp, jedes mit einem großen Luftballon versehen, "schön war's heut wieder auf dem Laurenzimarkt", und läßt sich außerhalb der Innbrücken ein festes Busserl hinaufpappen.

Das Manuskript ist im "Nachlass Rambold" im Stadtarchiv Mühldorf am Inn überliefert. Abdruck F.X.R.: Enthalten wohl auch in der Textsammlung "In und um Mühldorf" in der Zeitschrift "Das Bayerland" 34/3 (1922), S. 33-44. TA: gelesen und gestaltet von Willi Großer (Starnberg), mit kleinen Änderungen und Ausformulierungen; 2.5.2013 VMA.