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Text zu: Nr. 239. – "O ös meine Boarn, tuats nit jubiliern!" [1809]

Der als handschriftliche Aufzeichnung in Salzburg überlieferte Liedtext entstand vermutlich Ende Mai 1809. Der Tiroler Aufstand gegen die bayerisch-französische Besatzung war ab April mit der Rückeroberung der Festung Kufstein, der Vertreibung bayerischer Beamter und Militärs aus Innsbruck und den drei ersten blutigen Schlachten am Berg Isel erfolgreich verlaufen. Die militärischen Niederlagen hatten zu Spannungen zwischen den bayerischen und französischen Kommandeuren geführt. Dem im Lied (Strophe 3) erwähnten Erzherzog Karl von Österreich-Teschen (1771-1847) war es durch eine Heeresreform teilweise gelungen, die Armeen des Habsburger Reiches wieder zu stärken und schlagkräftiger zu machen. Einen ersten, und für längere Zeit einzigen Erfolg konnte Karl in der Schlacht bei Aspern (21./22.5.1809) gegen Napoleon verbuchen. In dieser Siegeszuversicht könnte auch der Text des vorliegenden Liedes entstanden sein – vermischt mit älteren Motiven und späteren Veränderungen! Den bayerischen Besatzern konnte nach dem Erfolg von Aspern ungehindert gedroht werden; die für das gesamte Tirol sehr ungünstige Wirtschaftspolitik wird hier angeprangert und auf die anscheinend ökonomisch bessere Zeit vor 1805 hingewiesen, als die österreichische Regierung durch die Einführung der "Bancozettel" (Strophe 7) das erste Papiergeld in Umlauf brachte. Bedingt durch die Währungs- und Verwaltungsvereinheitlichung musste die bayerische Verwaltung zunächst das Papiergeld stark abwerten und schließlich außer Kurs setzen, was eine Verarmung der Tiroler Bauern und des städtischen Bürgertums zur Folge hatte. Daher werden Napoleon – hier mundartlich als "Wonepart" bezeichnet – und König Max I. von Bayern am Ende des Liedes (Strophe 9) in die Hölle gewünscht und das bayerische Militär geschmäht, weil es ausschließlich von der Macht Frankreichs abhängig zu sein scheint. Letztlich gelang es dem bayerischen General Carl von Wrede (1767-1838) in der 5. und damit letzten Berg-Isel-Schlacht den Tiroler Aufstand niederzuschlagen und die bayerische Herrschaft noch einmal zu etablieren.(WB)

  1. O ös meine Boarn, tuats nit jubiliern! / Ös künnts enka Landel no sauba voliern. / Da Wonepart führt enk ja überall a, / Daß 's alle werds umbracht; was habts da davo?
  2. O ös meine Boarn, seids kemmen als dick; / Die Tirola wollts zwinga – sei tuats enk Nicht. / Ös kinnts uns nit zwinga, mir sagn enk guat deutsch: / Es war enk viel nützer, ös machats das Kreuz.
  3. Der Herzog Prinz Karl, der faßt frischen Muat; / Iaz tuat uns grad dürschten ums boarische Bluat. / Tiroler, die gehen mit Lust und mit Freud; / Sie kennen dem Karl sei Aufrichtigkeit.
  4. Da Kitzbichler Pfleger is an oanziges G'richt. / Kimmt da ganz Toifel Boarn – hamt doch nichts gericht't. / Die Inschbrucka Herren hamt nicht gut getan, / Sie hamt uns verkauft und in Saustall getan.
  5. Die Kitzbichla Schützen grad dö schiaßen schlecht. / Sie hamt ja Koan troffen; es is ja nit recht. / Die Boarn ham sie g'foppt: sie hamt scho brav g'siegt, / Wo da ganz Toifel Boarn aufn Stoan'n herum liegt.
  6. Den kaiserlichen Adler wolln s' a nimma leidn; / Auf den Zwoanzgan und Talan da kan a scho bleibn. / Sie stallieren übern Adler – auf dem Geld steht er a. / Wia wurds denn grad ge, wann koa Kaisergeld war?
  7. Das Bancozettel machen das braucht an Kredit; / Den hat grad da Kaiser, da Boarfürscht hats nit. / Sie hoaßen den Kaiser an bluatarmen Hund – / War 's ganz Boarn nit in Stand, daß es auswechseln kunnt.
  8. Er schreibt ins Tirol: "soviel Steuern setzt auf!" / Es hoaßt brav zahln vor den Kopf und das Haus. / Er laßt ja den Kirchen und Klöstern koan Fried; / Das tuat grad da Boarfürscht, da Kaiser tuats nit.
  9. An neun Vaterunser ham s' uns a wollen lehrn; / Glaub, Hoffnung und Liab ham s' uns a wolln verkehrn. / Da Wonepart Gott Vater, da Boarfürscht Gott Sohn – / Den Lohn wern s' bekommen ausn höllischen Thron.
  10. O ös meine Boarn! no Oa s muaß i enk sagn: / Ohne dem Franzosen trauts ös enk nix z' wagn. / War da Franzos' nit, so wars für uns rar; / Mir wolltn enk wohl zoagn, wo 's Loch aussi war.

Qu: Hartmann/Abele, 1913, Nr. 239 [1809]; Nach einer alten Handschrift, welches sich (im Original) in das Manuskript von Süß' Nachlese zu seinem Werk "Salzburgische Volkslieder" eingelegt findet; jetzt im Museum zu Salzburg. Melodie unter Verwendung einer überlieferten Schnaderhüpflweise (vgl. Napoleonlied, gesungen von den Brüdern Roider) völlig neugestaltet, EBES 2015.
TA: Georg und Bernhard Anker, Ebbs/Tirol (mehrfache mundartliche Textanpassung durch die Sänger); Hannes Janßen (Gitarrenbegleitung), Lenggries; VMA 18.4.2015.