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Text zu: Nr. 240. – "Nun hört uns, ihr Bayern!" [1809]

Nach der Niederschlagung des Tiroler Aufstandes im November 1809 versuchte die bayerische Verwaltung noch einmal, wenn auch erfolglos, das Land in den bayerischen Staatsverband zu integrieren. Im Text des Liedes, das in Sachrang, an der Grenze zu Tirol, überliefert wurde, wird daher den Tirolern ein Eingeständnis ihrer fehlgeschlagenen Politik gegen Bayern in den Mund gelegt. Der Held der Aufstände, Andreas Hofer (1767-1810), ist zwar als erfolgreicher militärischer Anführer geschildert, charakterlich jedoch als "tückisch und tamisch vor Wuat" beschrieben (Strophe 2). Als Anstifter des Aufstandes gelten Emissäre aus Österreich, die die Aufständischen durch falsche Versprechungen betrogen haben (Strophe 3). Einige Orte in Nordtirol werden als Zentren der Aufständischen genannt; von dort aus sind sie wie "wütige Stier" nach Bayern eingedrungen; sie werden als arbeitsscheu und angeberisch aber arm geschildert (Strophen 4-7), v.a. weil sie zwar prächtig bestickte Gürtel mit eingearbeiteten Geldkatzen – sogenannte "Ranzenbärte" – tragen, sich darin aber kein Geld befindet. Am Ende des Liedes bitten die Tiroler den bayerischen König um Vergebung. Die Hoffnungen der ländlichen Bevölkerung Oberbayerns und Schwabens werden hier angesprochen, die nicht noch einmal von marodierenden Tiroler Bauern, die Ende Mai 1809 nach der für sie erfolgreichen dritten Berg-Isel-Schlacht bis Kempten, Kaufbeuren und Wolfratshausen vordrangen, heimgesucht werden wollten. (WB)

  1. Nun hört uns, ihr Bayern! wir wolln euch was sagn. / Nur tuts uns beim König nöt gar z'viel verklagn! / Wir sehen den Irrtum, bekennen den Fall / Und schämen uns selbsten. Verzeiht uns diesmal!
  2. O wäre der Sandwirt, der Anderl nöt g'wen! / Kein Anderer tät sich zum Kriegführn verstehn. / Er aber ist tückisch und tamisch vor Wuat; / Drum – ging 's ihm im Anfang und lang aussi guat.
  3. Die G'sandten von Östreich die hamb uns betrogn; / Sie haben von Truppen- und Geldschicken g'logn. / Sie hamb uns brav aufg'hetzt zu streiten fürn Glaubn. / Die Worte seind schön g'west, doch lauter faul Traubn.
  4. Die Oberländer Schützen seind lauter Wildleut; / Sie habn nur zum Spreizen und Beutmachen Schneid. / Die Höttinger Lumpen, das Schwazer Gesind, / Die Kothlackler Spitzbuam, nehmts diese bein Grind!
  5. Es gibt auch wohl Manche im Unterland hier, / Die grad so rebellisch wie würflige Stier'. / Wer ihnen ein Wort sagt von Frieden und Ruh, / Den wollten sie packen und greifen g'schwind zu.
  6. Und wollt ihr sie kennen, so muaß i enk sagn: / Es seind meistens Solche, die Razenbärt tragn. / Im Beutel kein Geld – hamb doch Schulden genug / Und lieber spaziern gehn, als hinter dem Pflug.
  7. Die sackrischen Lumpen habn glaubt, sie sei'n Herrn, / Es wird sie der Kaiser zu Ratsherrn begehrn, / Er wird ihnen schicken ganz Truchen voll Geld; / Jetzt aber, weil keins kommt, jetzt hat er weit g'fehlt.
  8. Nun also, ihr Nachbarn, das Kriegführn ist aus; / Wir bleiben bein Weibern und Kindern zu Haus. / Wir wollen in Frieden recht nachbarlich lebn; / Nur müßts uns Tirolern die Dummheit vergebn!
  9. Und du, lieber König, sieh gnädig herab! / Wir wollen dir treu sein stets bis in das Grab. / Das sei nun beschlossen! Wer nochmals versucht / Mit Bayern zu streiten, der sei uns verflucht!

Qu: Hartmann/Abele, 1913, Nr. 240 [1809]; Mündlich aus Sachrang (südlich von Hohenaschau, an der Tiroler Grenze). Vgl. Melodievariante zu Lied 19 auf dieser CD.
TA: Martina (Gesang) und Martin Prochazka (Gitarrenbegleitung), Fischbachau; VMA 19.4.2015.