Navigation überspringen.
Startseite

Text zu: "O betrübte Zeit und Stunde" – Christus und Magdalena im Garten

Magdalena begegnet dem geliebten Jesus, ohne den Auferstandenen zu erkennen.

  1. Magdalena: O betrübte Zeit und Stunde, / du machst mir ein neue Wunde, / da ich seh das leere Grab! / O was Schmerzen ich empfinde, / da ich jenen nicht mehr finde, / den ich so geliebet hab.
  2. Christus: Weib, sag mir, warum du weinest / und so sehr betrübt erscheinest? / Weib, was kränket doch dein Herz? / Was kann deine Tränen stillen, / was kann dich mit Trost erfüllen? / Sag, worin besteht dein Schmerz.
  3. Magdalena: Herr, ich will es redlich sagen, / mein Geliebter macht mich klagen, / den ich nicht mehr finden kann. / Dessen bloßes Angedenken / will mein Herz in Leid versenken, / ich weiß nicht, wo aus, wo ein.
  4. Christus: Den du suchest hier begraben, / kannst du leicht bald wieder haben. / Stelle deine Klag nur ein. / Der verborgen deinen Sinnen, / ist vielleicht nicht weit von hinnen / und wird bald der Tröster sein.
  5. Magdalena: Herr, wenn du ihn hast entnommen, / sag, wo ist er hingekommen, / wohin hast du ihn gelegt? / Ich will selbst ihn davontragen, / nur erlaube mir zu fragen: / Wohin hast du ihn gelegt?
  6. Christus: Magdalena, sieh hier jenen, / den du suchst. Wisch ab die Tränen. / Dein Geliebter ist schon hier. / Den du bitter hast beweinet, / dieser ist's, der dir erscheinet. / Sieh, ich selbst steh jetzt vor dir.
  7. Magdalena: Wie geschieht mir? Deine Stimme, / o mein Jesus, ich vernehme / und als diesen dich erkenn! / Bist du denn vom Grab erstanden, / bist du selbst allhier vorhanden, / den ich meinen Liebsten nenn?
  8. Christus: Ja, ich bin in Gärtners Gstalten, / der verborgen sich gehalten. / Lege ab jetzt alles Leid. / Weil du mich so liebst von Herzen, / nehm ich weg all deine Schmerzen / und vermehre deine Freud.
  9. Magdalena: O mein Jesus, mir vergönne, / dass ich dich umfangen könne. / Du allein mein Alles bist. / Ich knie nieder dir zu Füßen, / um mit Ehrfurcht sie zu küssen, / denn mein Herz entzündet ist.
  10. Christus: Du wirst jetzt dies nicht erlangen, / dass du heut darfst mich umfangen. / Dieses von mir nicht begehr! / Vielmehr geh und sag den Meinen, / jene Zeit will nun erscheinen, / dass ich zu dem Vater geh!

Trad.: Dieser beeindruckende Zwiegesang zwischen Christus und Magdalena (vgl. Johannes 20.17 f) ist in Südtirol überliefert. Der auferstandene Jesus begegnet Magdalena, die ratlos vor dem leeren Grab im Garten steht. Sie hält den Geliebten für einen Gärtner, ehe er sich ihr offenbart. Aufgezeichnet nach dem Gesang von Franz Oberhöller und seiner Mutter Ursula "Hofmannsleute von Reinswald im Sarntal" (Fr. Fr. Kohl und Josef Reiter: Echte Tiroler-Lieder, 2. Band, S. 56 ff, Nr. 20, Leipzig und Zürich 1915). Bearb.: Leichte textliche und musikalische Überarbeitung VMA/EBES 1990. V: BH 46, S.16-17. TA: VMA/TGV-0071; Claudia Harlacher, Maisach und Peter Denzler, Nußdorf a. Inn; 17.6.1990, TH Hittenkirchen.