Text zu: "Seht, liebe Leute, sehet hin" - Das Münchner Pulvermagazin

Am 16. Mai 1835 sprengte sich der aus Obergünzburg stammende Oberkanonier Stanislaus Schmidt zusammen mit dem Pulvermagazin der bayerischen Armee auf dem Oberwiesenfeld bei München in die Luft. Schmidt, der sich wegen ungerechter Behandlung seitens seiner militärischen Vorgesetzten durch diese Wahnsinnstat das Leben nahm, riß neun Menschen mit in den Tod.

1. Seht, liebe Leute, sehet hin / zum Münchner Pulvermagazin! / Es hat gepufft, es hat geknallt, / daß es bis Regensburg erschallt. / O sehet hin und blicket hin / zum Münchner Pulvermagazin!
2. Dies Unglück tat ein böser Bub, / er hatte längst schon keine Ruh. / Die Bosheit war bei ihm so groß, / daß er schon längst die Tat beschloß. / O sehet hin, die böse Tat, / die noch nicht ihresgleichen hat.
3. Sechs Schuh, zwei Zoll und dreißig Jahr / hat er gemessen auf ein Haar. / Im ganzen Land war er bekannt, / Stanislaus Schmidt war er genannt. / O sehet hin und höret her, / das war ein böser Kanonier!
4. Es war am Samstagnachmittag, / da tat es einen großen Schlag. / Man glaubt, der Blitz hat es getan, / doch sehet nur den Jammer an: / Vieltausend Stücke sind entzwei / und dreizehn Menschen auch dabei!
5. Sie flogen alle in die Luft / und fanden all da ihre Gruft. / Bei Starnberg lag ein toter Fuß / und eine Hand am Isarfluß, / und tausend Stücke Eingeweid, / die lagen hin und her zerstreut!
6. Mit einem chemischen Feuerzeug / entzündt er das Pulver reich. / Es war ein einzger Augenblick, / so war der ganze Turm in Stück. / Den Posten riß es auch mit fort, / er stand an einem andern Ort.
7. In seinem Bette, da er schlief, / da fand man einen langen Brief, / worin er seine Tat gestand, / daß er das Pulver angebrannt. / O sehet hin, die böse Tat, / die noch nicht ihresgleichen hat!
8. Drei Tage drauf, als dies geschehn, / sah man den Zug zum Kirchhof gehn. / Das ganze Münchner Militär / ging neben seinem Sarge her. / O sehet hin und höret an / und nehmt euch ein Exempel dran!

Qu:/Dr: In Moritatenform gestaltetes und verbreitetes Ereignislied über einen Selbstmordattentäter in München, dessen Tat lange die Gemüter bewegte und die Berichterstattung in den neu aufkommenden Zeitungsmedien beherrschte. Die Erinnerung an dieses unerhörte Ereignis wurde weit über München und Bayern hinaus durch dieses "Zeitungslied" in gedruckter und mündlicher Form weitergegeben. TA: Dokumentation Uhrmachermeister Karl Müller, München, mit Drehleier, 16.2.2001.