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Text zu: Der Nussenbaum

Ein junges Mädchen und ein Nussenbaum halten Zwiesprache über das Leben und den Lebenswandel, den Kreislauf der Natur, Wiederkehr und Endgültigkeit.

  1. Ach Nussenbaum, ach Nussenbaum, / ich will dich etwas fragen. / |: Warum denn du so schön grün bist, / in deinen jungen Jahren. :|
  2. Ach Mädchen, liebstes Mädchen mein, / das kann ich dir schon sagen. / |: Ich steh im Wald, bei Kühl und Kalt, / und Nussen muß ich tragen. :|
  3. Ach Mädchen, liebstes Mädchen mein, / ich will dich etwas fragen: / |: Warum denn du so schön rot bist / in deinen jungen Jahren. :|
  4. Ach Nussenbaum, ach Nussenbaum, / das kann ich dir schon sagen: / |: Ich trinks Kaffee mit Marmoltee / und spiels mit jungen Knaben. :|
  5. Trinkst du's Kaffee mit Marmoltee / und spielst mit jungen Knaben, / |: so dauert's kaum dreiviertel Jahr, / ein Knäblein wirst du's haben. :|
  6. Oh, du verfluchter Nussenbaum, / das kann ich dir schon sagen: / |: Ich hab zu Haus zwei Brüderlein, / die werden dich umhauen. :|
  7. Und wenn sie mich umhauen tun, / im Frühjahr grün' ich wieder. / |: Und wenn ein Mädchen seine Ehre verliert, / so kriagt sie's nicht mehr wieder. :|

Qu: Dieses alte, tiefgründige und auch in der Melodie eindrucksvolle Lied hat der "Bayerische Landesverein für Heimatpflege e.V." auf seinem Liederblatt Nr. 13 abgedruckt mit dem Hinweis: "Aufgezeichnet im August 1993 in Bardhaus, Deutsch-Kutschowa und Pausching (Karpatho-Ukraine, ehemals Besitz der Grafen von Schönborn, besiedelt Anfang des 19. Jahrhunderts). ..." Als Worterklärung ist angegeben: "Marmoltee = Quittentee, von portugiesisch "marmelo" = Honigapfel, Quitte".
Dagmar Held aus Schießen (Bezirk Schwaben) erinnert sich an die Forschungsreise 1993 und beschreibt für diese CD die Aufzeichnung des Liedes: "Auf einer Reise durch die ehemals deutsch besiedelten Dörfer um die Stadt Munkatsch, begleitete uns das Lied vom Nussenbaum von Anfang an. Im Gegensatz zu den übrigen von Deutschen besiedelten Gebieten wie z.B. an der Wolga durften die Bewohner der Dörfer im Munkatscher Gebiet nach ihrer Verschleppung zur Zwangsarbeit nach Sibirien in den 1950er Jahren wieder nach Hause zurückkehren. Aus diesem Grund sind auch heute noch viele deutschstämmige Bewohner dort zu finden. Vor allem die ältere Bevölkerung beherrscht die deutsche Sprache und den Dialekt noch gut.
Man muss unterscheiden zwischen zwei vollkommen verschiedenen Besiedlungen: zum einen die Dörfer nördlich von Munkatsch, die von Böhmerwäldlern bewohnt wurden. Hier sind nur mehr Reste der ehemaligen deutschen Kultur zu finden. Es sprechen auch nur noch die alten Leute deutsch. Die Dörfer südlich von Munkatsch waren ehemals im Besitz der Grafen Schönborn und wurden auch von ihnen besiedelt mit Bewohnern aus unterschiedlichen Landstrichen. Während in den nördlichen Dörfern noch Böhmerwäldler Dialekt zu hören ist, hat sich in den südlichen Dörfern ein Gemisch unterschiedlicher Dialekte herausgebildet. Hier sprechen auch noch die jüngeren Leute deutsch (natürlich auch Dialekt). Pausching war zum Zeitpunkt unseres Besuches sogar noch hauptsächlich von Deutschen bewohnt.
Schon unsere erste Gewährsfrau konnte sich an Fragmente dieses Liedes erinnern. Es gelang uns aber erst gegen Ende der Reise das Lied vollständig aufzuzeichnen. Die Sänger erklärten uns auch die Bedeutung des Nussenbaumes. Uns fiel nämlich auf, dass die als Strassendörfer angelegten Siedlungen von Nussenbäumen gesäumt sind. Dies hat einen ganz praktischen Grund: die Nussenbäume halten das Ungeziefer vom Haus ab.
Vorgesungen hat uns das Lied Barbara Schosser (*1924), Johann Schinn (*1931), Anni Schinn (*1925) und Josef Eder (*1921) aus Bardhaus sowie Lisi Barna (*1931) und Barbara Dori (*1919) aus Pausching. Aufgezeichnet wurde es von Wolfgang Mayer und Dagmar Held 1993. Die vorliegende Fassung ist eine Mischung der beiden Varianten aus Bardhaus und Pausching." TA: Dagmar Held (Gitarre), VMA 26.5.2004.