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Text zu: Jozef Filser an Gorbinian Bechler - von Ludwig Thoma (siehe Nr. 23)

Der bayerische Schriftsteller und Dichter Ludwig Thoma (1867-1921) hat als Redaktionsleiter der Münchner Satirezeitschrift "Simplicissimus" den bayerischen Landtagsabgeordneten Josef Filser erfunden. Von 1909-1912 verspottete "Jozef Filsers Briefwexel" im "Simplicissimus" zur Freude einer großen Leserschar - in kräftiger und unorthodoxer Sprachschrift - die Bürokratie, die bürgerliche und großbäuerliche Scheinmoral und das Obrigkeitsdenken der Zeit. Die oft zeitlosen Briefinhalte lassen die "Filser-Briefe" bis heute aktuell erscheinen. Hier schreibt der Abgeordnete der bayerischen Zentrums-Partei und Bauer Josef Filser an seinen Freund Korbinian Bechler in Mingharting in Angelegenheit der Folgen einer Faschingsredoute, die beide in München besucht haben.

An Hern Gorbinian Bechler
Bosdhalder in Mingharding, Bosd daselbst

Liber Gorbinian

Disses isd kein Brif wi di andernen Brife wo mier in liederlinger Weuse einander geschriem haben aus leuchdferdigen Schpaße, sondern es isd ernst aus reimietigen Härzn und ich habe es fest forgenohmen das ich Dich bekern muhs wie ich bekert bin durch einen Draum, wo ich dier erzelen wiel.
Indem mier disser auskschamte Hadern geschriem had, das eine Faterschaft ieber mir schwäbt durch die unzichtingen Wiensche wo mier auf der Rähdut wahren durch dich, habe ich disses schröklich bereiht und bin auch in mich gegahngen.
Ich habe erkahnt das ich durch dissen Lebenswahndel in deiner ausgelahsenen Geselschafd ein unreunes Gefäs der Siende bin und bin in der Jozefschbitalkirche gewessen wo ich meinem Härzen durch Seifzen und Weunen Lufd gemachd hawe und meinen Nahmensbadron eine zähnpfindige Kirzen fersbrochen hawe, bald er mier fon dissem Schlamahssel hilfd das ich den schlambeten Mentsch nichs zu zallen brauge.
Da isd es mier gleich gewessen als wi wen der heilinge Jozef geplinselt hat mit das linge Aug und in der Nachd for dem Schlaffe habe ich mein Fersprechen widerhohlt und hernach bin ich geschlaffen. Haber auf einmahl bin ich aufgewahchd indem ich fon einen helen Glantse umflohsen wahr und der heulinge Jozef isd for mier geschtanden und had dreimahl gesagd wache auff mein Son Jozef. Was wüllst Du hawe ich gefragd. Gelibtester, du hasd mier eine zähnpfindinge Kirzen gelobd, sagd er, und fier disses wird die Begürlichkeit deines Fleusches ferzien had er gesagd, haber Du bisd ferfiert worden Gelibtester sagd er, und deinen Freind Gorbinianus kan ich nichd helfen had er gesagd. Da hawe ich bidderlich geweunt, das Du ferlohren bisd und der heulinge Jozef sagd, fier Deine Drauer wohlen wier ihm ferzeien, sagd er, bald er seine Wolllusd bereiht und ahles bezalt, sagd er, den du derfst es nichd zalen, weil du bei inserner heulingen kristgadollischen Zentrumsbardei bisd sagd er und er had wider gans freundlich geplinselt und is durch die Decken gefarren und mein Zihmmer had noch in der Fruh ganz schtark gerohchen.
Liber Gorbini durch disses isd mir leuchder geworden und ich mus es dir middeilen, das mier nach dem Willen des heulingen Josef handeln und du ahles zalst und durch eine bidderliche Reihe Deine Sehle fon disser Todsinde befreust. Liber Gorbini, lahse es dich nichd ferdriesen, das es so fil Geld isd indem du der schuldinge Ferfierer bisd und was isd ales Geld, bald deine unschterblinge Seele ferlohren isd?
Ich hawe zuersd gemeunt ich wiel auch die helfde zallen haber durch disse Worte des heulingen Jozef isd es mier klahr geworden, das ich nichd derf, den bald ich aufkohme isd es ein bolidischer Schkandall und bald du aufkomst isd es blos brifat.
Liber Gorbini Du must nichd klauben, das ich dier einen Pliemelplahmel formache, sondern es isd ein merkwirdinges Ereignis, und komt aber oft for das die Heulingen den Mentschen erscheunen bald man ienen eine Waxkirzen oder sonzt was ferspriecht.
Gelibtester Du must es bereihen und zalen das du Barmhärzikeit findest und ich hawe es meinen Nahmensbadron fersprochen, das ich nichd auslahse bis Du zalst, und bald Du nichd wielst sag ichs Deiner Alden, das sie fier dich zalt und Deine Sehle geräthet wird, haber fileichd fozt dich deine AIde umeinand und du hasd noch einen ierdischen Ferdrus.
Liber Gorbini, Du must dengen, das es zur Abtödung deiner fleuschlichen Lieste isd und das ich auch abtöded worden bin, wo mich die Schlahwiener so hergeschlahgen ham und zwei Schtokzehn verlohren, das ich nichd mer gescheidt beussen kan, und jez must du in Deinen Geldbeidel hineinglangen und zaln. O wi leichd isd es bald man sich plos mit Geld befreihen kan fon dissen Sehlenkwahlen und Du kanzt Dier ja forstehlen, das dier filleichd eine Ku ferekt isd, wo auch so fiel kost. O warum sind mier auf eine Rädut gangen! O wie bereihe ich es, das ich den heulingen Jozef so beleudinget hawe durch dissen Wahndel mit dem Schlamben, wo jez schreibt, das mier zwei iere Mätchenbliethe zerschtärt hawen. O wi gern wiel ich Bäserung gelohben und bald wider ein Freind kohmt, das ich mit iem herum lumbe ruhfe ich zu meinen Schuzbadron das er mir nichd zum erscheunen brauchd und fier mich so fiel arbeid had. Liber Gorbini mier wohlen beten und bereihen und du must zaln, das auch der heulinge Gorbinian mit dier eine Freide had wie der heulinge Jozef mit mier eine Freide had und ins bewart for solchene unferschembte Schlamben. Disser Brif isd nichd wie ein anderer Brif und plos ein Schpaß sondern ich bin auf dem wäge der Buhse und wiel jeden Dag beten, das Du auch so erleichted wierst und besiene Dich nichd sondern zal mit Freiden.
Kelobd sei mein Nahmensbadron der wo dir auch helfen wiel balst Du zalst und in ewikeit Amen

fon deinen liben Freind
Jozef Filser.

Qu: Filserbrief Nr. 15 von Filser an Bechler, Simplicissimus 1908. TA: Sprecher: Willi Großer (Starnberg), VMA 8.3.2006.