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Quellenhinweis zu: "Flötten Ländler"

Wie seine Vorfahren war Franz Seraph Graßl (1795-1841) Bauer, Wirt und Branntweinbrenner in Unterstein bei Berchtesgaden. Zuletzt übernahm er die Kappelwirtschaft in Berchtesgaden. Die erste musikalische Ausbildung hat er wohl von seinem Vater erhalten, sicher hat er sich aber auch bei anderen Spielleuten in der Gastwirtschaft allerhand abgeschaut, bis er schließlich sieben Instrumente beherrschte. 1818 heiratete er Ursula Walch, eine Tochter des weithin bekannten Flöten- und Klarinettenmachers Lorenz Walch vom Siegerlehen in der Stanggaß.
Franz Seraph Graßl spielte, wie Hans Bruckner feststellte, anfangs wohl bei der Musikkapelle des Berchtesgadener Türmermeisters, der "Thurnermusik". Dann aber begann er, seine Kinder zu unterrichten und spielte mit seinen gerade 9 und 7 Jahre alten Söhnen Franz und Sylvest zu örtlichen Tanzgelegenheiten und Unterhaltungen auf, bis es ihm von Landgericht verboten wurde.
Franz Seraph Graßl bestritt ab 1825 über lange Jahre viele öffentliche und private Veranstaltungen in seinem Heimatort, zu denen Tanz- und Unterhaltungsmusik gebraucht wurde. Dafür legte er sich Notenhandschriften an, die sein Sohn Franz weiterführte. In den Handschriften sind die Melodien eingetragen, die er für die meisten ländlichen Unterhaltungen benötigte: Vor allem Ländler, aber auch einige Dreher. Ab ungefähr 1840 kommen Polka, Schottisch, Galopp, Mazurka und Walzer dazu. Die frühen Noten sind vor allem für Flöten geschrieben, später kommen Melodien für Flügelhorn, Klarinette und Geige dazu. Über die Spielgelegenheiten und Einnahmen von 1825-1832 führte Franz Seraph Graßl genau Buch.
Berchtesgaden war um 1830 schon eine beliebte Sommerfrische der städtischen und höfischen Gesellschaft Münchens. Auch die königliche Familie war gern in Berchtesgaden. Franz Seraph Graßl und seine Kinder spielten immer öfter für die "Sommerfrischler", oft auch bei Gelegenheiten, die den Gästen überaus romantisch oder urtümlich vorkamen: Auf Almen, in alten Gasthäusern, im Kuhstall, in Bauernküchen.
Die höfische Gesellschaft wollte die in Berchtesgaden gehörte "echte ländliche" Musik auch in München hören. Die Sommerfrischler holten sich also die Musik der "Alpenbewohner" in die Stadt. Im Oktober 1833 begab sich Graßl mit seinen sechs Kindern erstmals auf Gastspielreise. Sie führte ihn über Teisendorf und Traunstein nach München. Beim Bögner im Tal hatten sie Quartier. Sie konzertierten in zahlreichen Gasthäusern und bei privaten Gesellschaften.
Bis 1836 folgten Reisen nach Italien, Österreich und Deutschland. Graßl musizierte mit seinen Kindern in Bürger-, Adels- und Königshäusern. Dabei spielte er wie gewünscht die beliebten Ländler, Alpenlieder und Steirer. Aber er brachte auch Bearbeitungen damals moderner Musik, bei denen sich seine Kinder mit Berchtesgadener Kinderinstrumenten wie Kuckuck und Nachtigall produzieren konnten. Franz Seraph Graßl war wie die Zillertaler Nationalsänger ein Vorreiter der auch heute noch umherziehenden Ensembles mit teilweise volksmusikalischem Programm.

TA: Berchtesgaden 28.8.1999, mit Irmi Nußdorfer (Querflöte), Claudia Harlacher (Begleitgeige), Peter Reiter (Kontrabaß) für das VMA, EBES. TRM 0189-0200.
Noten erarbeitet vom VMA: Bezirk Oberbayern, Landler aus einer Notenhandschrift der Musikantenfamilie Graßl, Berchtesgaden um 1830. (Dokumente regionaler Musikkultur in Oberbayern, Quellenheft 16) München 1998.