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Text zu: "Ich bin ein armer Exulant" – [1886/1731]


Als ein Loyalitätsbeweis der Salzburger Bevölkerung zum katholischen Glauben weitgehend unterblieb, unterzeichnete der Salzburger Fürsterzbischof Leopold Anton von Firmian (1679-1744) am 31. Oktober 1731 das „Emigrationspatent“, das alle Protestanten des Landes verwies. Es gewährte den Angesessenen, also denen, die Haus und Hof besaßen nur 1-3 Monate, den Nicht-Angesessenen, also Besitzlosen gar nur 3 Tage, um das Land zu verlassen. – Unter dem diplomatischen Druck seitens des Regensburger Reichstags wurden die Fristen geringfügig verlängert. Zwischen November 1731 und August 1732 wanderten in 23 Kolonnen insgesamt über 20.000 Personen aus. Die Exulanten zogen anfänglich vor allem in die Reichsstädte, z.B. Kaufbeuren, Memmingen, Kempten, Ulm, Augsburg und Nürnberg. Andere wanderten über Thüringen und Sachsen nach Ostpreußen. – Der preußische König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) hatte am 2. Februar 1732 ein Einladungspatent erlassen, das die Emigranten in die Landstriche aufnahm, die von der Großen Pest 1708-1714 entvölkert worden waren.
Das Lied „Ich bin ein armer Exulant“ ist schon viel früher entstanden. Sein Dichter, Joseph Schaitberger (1658-1733), ein Bergknappe am Dürrnberg, wurde bereits 1686 des Landes verwiesen. Seine 3 Töchter musste er zurücklassen. Aus dieser Not heraus dichtete er das „Trostlied eines Exulanten“. Das Lied war bei den Exulanten von 1731/1732 allgemein bekannt, denn es wird überliefert, dass sie es während des Einzugs sowohl in Nördlingen als auch in Gera sangen.
Noch vor 1731 erschien eine Umdichtung, die das Schaitbergersche Trostlied parodiert. Der unbekannte Verfasser verwendet nun gezielt Mundart, mit der er Hohn und Spott über die ausgewiesenen Lutheraner ausschüttet. „Hiaz bist an armer Exilon“ (—> hier Nr. 16) nimmt Strophe für Strophe Bezug auf das Lied von Schaitberger mit dem Tenor, der Exulant sei selber schuld, wenn er wegen Luther leiden müsse und er soll sich doch am Ende seines Lebens seinen Anteil an der Seligkeit bei Luther holen. Schaitberger sei ein Narr, weil er die Lehre Roms verachte und sich zu Luther bekenne. (WK)

  1. Ich bin ein armer Exulant / – Also muß ich mich schreiben, –
    Man tut mich aus dem Vaterland / Um Gottes Wort vertreiben.
  2. Doch weiß ich wohl, Herr Jesu mein, / Es ist dir auch so gangen.
    Jetzt soll ich dein Nachfolger sein; / Mach 's, Herr, nach dei'm Verlangen!
  3. Ein Pilgrim bin ich auch nunmehr, / Muß reisen fremde Straßen.
    Drum bitt ich dich, mein Gott und Herr, / Du wollst mich nicht verlassen.
  4. Ach steh mir bei, du starker Gott! / Dir hab ich mich ergeben.
    Verlaß mich nicht in meiner Not, / Wenn 's kosten sollt mein Leben!
  5. Den Glauben hab ich frei bekennt; / Deß darf ich mich nicht schämen,
    Ob man mich einen Ketzer nennt / Und tut mir 's Leben nehmen.
  6. Ketten und Band war mir ein Ehr / Um Jesu willen zu dulden;
    Denn dieses macht die Glaubenslehr / Und nicht mein bös Verschulden.
  7. Ob mir der Satan und die Welt / All mein Vermögen rauben,
    Wenn ich nur diesen Schatz behalt: / Gott und den rechten Glauben!
  8. Herr! wie du willst, ich gib mich drein; / Bei dir will ich verbleiben.
    Ich will mich gern dem Willen dein / Geduldig unterschreiben.
  9. Muß ich gleich in das Elend fort, / So will ich mich nicht wehren.
    Ich hoffe doch, Gott wird mir dort / Auch gute Freund' bescheren.
  10. Nun will ich fort in Gottes Nam; / Alles ist mir genommen.
    Doch weiß ich schon: die Himmelskron / Werd ich einmal bekommen.
  11. So geh ich heut von meinem Haus; / Die Kinder muß ich lassen.
    Mein Gott! das treibt mir Tränen aus / Zu wandern fremde Straßen.
  12. Ach führ mich, Gott, in eine Stadt, / Wo ich dein Wort kann haben!
    Damit will ich mich früh und spat / In meinem Herzen laben.
  13. Soll ich in diesem Jammertal / Noch lang in Armut leben,
    Gott wird mir dort im Himmelssaal / Ein' bessre Wohnung geben.
  14. Wer dieses Liedlein hat gemacht, / Der wird hier nicht genennet.
    Des Papstes Lehr hat er veracht't / Und Christum frei bekennet.
Qu: Der Münchner Volksliedsammler August Hartmann (1864-1917) schreibt nach umfangreichen Recherchen diesen auch über Flugblattdrucke verbreiteten Text "Trostlied eines Exulanten" aus dem Salzburger Land dem "um des Glaubens willen vertriebenen Bergmann Joseph Schaitberger" zu. Das Lied war wohl unter den evangelischen Christen, die Salzburg verlassen mussten, weit verbreitet und wurde nach den von Hartmann zitierten Quellen oft gesungen: "Die Salzburger sangen dieses Lied auch oft während ihres Zuges nach Norddeutschland", u.a. beim "Einzug der Saltzburgischen Emirgranten in die Freye Reichsstadt Nördlingen" am 1.2.1732: "Die Emigranten marchirten alle paarweis und sungen unter währendem Zuge folgende Lieder: Ein feste Burg ist unser Gott …; Ich bin ein armer Exulant …; … und noch andere mehr". --- Text bei August Hartmann und Hyacinth Abele: Historische Volkslieder und Zeitgedichte vom 16. bis 19. Jahrhundert, Band 2 (München 1910, Nr. 159, S. 274 ff, hier Melodie 16). Die Melodie haben wir verändert zur leichteren Singbarkeit; EBES 27.6.2017. V: Liedflugblatt zum Thementag "Klingende Reformation" am 8.7.2017 in München-Sendling; und "Auf den Spuren von Martin Luther und der Reformation – Deutschland und Oberbayern" (VMA 2018). TA: VMA/THZ-0136; Anna und Karl-Heinz Brandl, Eva Bruckner, Christine Eisenmann, Paula Hahn, Claudia Harlacher, Christl Klappacher, Evi Plomer, ES, Barbara Stöckl, Johann Vasold, Johanna und Manfred Wallner; VMA 5.8.2017.