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Text zu: "Als Jüngling schlug mir hoch die Brust" – [1813]


Hier erzählt ein Husar, wie er in der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) einen Arm verlor. Sein französischer Kontrahent gab ihm sein Halstuch, dass er den Arm abbinden konnte. Als Kriegsversehrter in der Heimat ereilte ihn das Schicksal, dass er zum Almosenempfänger wurde: In seiner Heimatgemeinde konnte er nur noch ein bescheidenes Auskommen als Nachtwächter finden. Nun führt der Zufall den französischen Offizier, der ihn in der Schlacht verwundete, in den Ort. Er erkennt den Gegner von früher wieder, richtet den Kriegsversehrten auf und nimmt ihn mit sich in sein Quartier.
Das Lied, das aus dem östlichen Oberbayern überliefert wird, widerspricht in seiner Aussage den sonst oft sehr euphorischen Lobeshymnen auf Krieg und Mannesmut. Es zeigt im Gegenteil, wie mit der Kriegsverletzung sozialer Abstieg und Verarmung – und wie auch heute oftmals psychische Belastung – verbunden ist. Und wenn man bedenkt, dass August Hartmann seine wissenschaftliche Liedersammlung 1913 am Vorabend des 1. Weltkriegs veröffentlicht hat, so gewinnt man den Eindruck, dass mit der versöhnlichen und helfenden Verhaltensweise des „französischen Erbfeinds“ bewusst oder unbewusst ein Anti-Kriegslied in der von politischer Seite nachhaltig vaterländisch aufgeheizten Zeit erschien. (WK)

  1. Als Jüngling schlug mir hoch die Brust / Von Kriegeslust und Kriegesfeuer.
    Da gab ich denn mit heitrer Lust / Fürs Vaterland den letzten Dreier.
    Doch kam es einstmals auch dahin / Als ein Husar ins Feld zu ziehn.
  2. Ich war bei mancher heißen Schlacht, / Schlug tapfer mich durch Frankreichs Krieger,
    Hab manchen Streich gut angebracht; / Doch blieb ich auch nicht immer Sieger.
    Bei Leipzig traf auch mich ein Hieb, / Daß mir der Arm im Dolman blieb.
  3. Ich sank mit einem schweren Fluch / Alsbald herab von meinem Schimmel.
    Der Franzmann löst' vom Hals ein Tuch / Und sprach zu mir im Schlachtgetümmel:
    Hier, Kamerad, verbind er sich! / Mit nassem Blick verließ er mich.
  4. Verstümmelt kehrte ich nach Haus, / Erhielt dort Brot auf viele Bitten.
    Ich schrie des Nacht die Stunden aus, / Das Dorf vor Feu'r und Raub zu hüten,
    Und erntete statt einen Lohn / Von losen Schwärmern Spott und Hohn.
  5. Als ich nun einmal mißvergnügt / Dort um das schöne Dörflein lenkte,
    So an der Heeresstraße liegt, / Und mich von Gott verlassen dünkte,
    Da kam auf Extrapost ein Mann / Und hielt mich mit den Worten an:
  6. "He, Kamerad! du warst Husar. / Wir trafen uns auf Leipzigs Auen,
    Wo ich zum Glück dein Sieger war / Und dir den Arm hab abgehauen.
    Doch gab ich dir aus Menschensinn / Mein Halstuch zum Verbande hin."
  7. Ach, guter Freund, bist du der Mann, / Der mir den Arm hat abgehauen!
    Hättst du das Leben mir geraubt, / Dürft ich nicht so ins Unglück schauen.
    Doch gabst du mir aus Menschensinn / Dein Halstuch zum Verbande hin.
  8. Da sprach der junge Offizier: / "Verlaß das Dorf und deine Wache
    Und komm fortan in mein Quartier / Und wohne unter meinem Dache!"
    Mit beiden Händen hob er mich / In seinen Wagen brüderlich.
Qu: Historische Volkslieder und Zeitgedichte vom 16. bis 19. Jahrhundert, gesammelt und erläutert von August Hartmann, mit Melodien herausgegeben von Hycinth Abele, Dritter Band, München 1913, Nr. 248 [1813.]; Mündlich aus Daglfing bei München, Kraiburg am Inn und Hohenaschau (Oberbayern); ferner, teilweise mit besseren Lesarten, aus Goldegg im Pinzgau (Land Salzburg). Die Melodie findet sich in Hartmanns handschriftlichen Liedaufzeichnungen mehrfach für erzählende Lieder. Text und Melodie wurden von uns für das gegenwärtige Singen angepasst; EBES 1992. V: "Tanzmusik um 1850 in Oberbayern – Der Einfluss des Militärmusikers Peter Streck ..." (VMA 1992, S. 44/45); CD "Volksmusik im Chiemgau" (VMA 1994, Nr. 4). TA: VMA/THZ-0028; Josef Linhuber (Eggstätt) und Franz Xaver Taubenberger (Holzkirchen); Eva Bruckner (Gitarrenbegleitung, Berchtesgaden); VMA 5.11.1994.