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Text zu: "Auf, auf, ihr Kameraden" – [ca. 1804]


Johannes Bückler – wegen seiner Abstammung aus einer Abdeckerfamilie kurz "Schinderhannes" genannt – wurde vermutlich 1783 in Miehlen im Taunus geboren. Bereits frühzeitig kam er mit dem Gesetz in Konflikt. Er verübte im Hunsrück zahlreiche Straftaten, zunächst nur Viehdiebstähle, ab 1799 auch Raub, Mord und Schutzgelderpressung. In den folgenden Jahren beging er mit wechselnden Banden eine große Anzahl von Straftaten. Mehrfach wurde er verhaftet, konnte aber immer wieder entkommen.
Unter der französischen Besatzung wurde der Fahndungsdruck zu hoch, weswegen er auf die rechte Rheinseite auswich. Dort wurde er im Mai 1802 festgenommen und nach Frankfurt überstellt. Von dort wurde er der französischen Gerichtsbarkeit in Mainz ausgeliefert. Am 20. November 1803 wurden er und 19 seiner Komplizen zum Tod verurteilt und schon tags darauf wurde das Urteil vor den Toren von Mainz vor angeblich 20.000 Schaulustigen vollstreckt.
Um den Schinderhannes rankte sich sofort eine Legende. Er wurde hochstilisiert zu einem „Robin Hood“, der den Reichen nahm, um es den Armen zu geben. Außerdem sah man in ihm einen Widerstandskämpfer gegen die französischen Besatzer. Schon zwei Monate nach der Hinrichtung führten die Schiffleute von Laufen/Obb., die im Winter ihren Lebensunterhalt umherziehend durch "Comedispielen" verdienten, das Stück "Die Räuber am Rhein oder der berüchtigte Schinder Hans" (von J. S. Lechner, August 1803) auf. Von der damaligen Salzburger Obrigkeit stammt der handschriftliche Vermerk auf dem Textbuch: "Es kann diese Komodie von den Laufener Schiffleuten unbedenklich aufgeführt werden. Salzburg, den 11ten Jänner 1804". (WK)

  1. Schinderhans:
    Auf, auf, ihr Kameraden, / Bei finstrer Nachteszeit!
    Zeigt eure Heldenthaten! / Es schlafen allbereit
    All Richter und all Schergen / Und was euch schrecken kann;
    Därft euch nicht fast verbergen. / Greift mit mir muthig an!
    Bande:
    So gut ein jeder kann! So gut ein jeder kann!
  2. Schinderhans:
    Thut euch nicht lang bedenken! / Eilt hin zu jedem Platz,
    Wo sind gefüllte Schränke, / Wo ein verborgner Schatz!
    Erbrechet Thor und Schlösser, / Wo groß Paläste sein!
    Durchbohrt gefüllte Fässer / Und trinkt den besten Wein!
    Bande:
    Dann schenket man brav ein! Dann schenket man brav ein!
  3. Schinderhans:
    Auch hört die Bitt der Armen! / Springt bei in ihrer Noth!
    Mit ihnen habt Erbarmen! / Mit ihnen theilt das Brot!
    Den Wandrer auf der Straßen / Laßt ungestöret gehn!
    Auf Solche sollt ihr passen, / Die Armut nur verschmähn!
    Bande:
    Das soll von uns geschehn! Das soll von uns geschehn!
  4. Schinderhans:
    Schafft an euch hübsche Kleider, / Wann ihr in Städte geht!
    Dort macht kein Bärenhäuter, / Führt euch auf ganz honnet!
    Doch spürt mit Luchsen-Augen / Gelegenheiten aus
    Und, kann euch dort was taugen, / Das nehmt mit euch nach Haus!
    Bande:
    Wir machen uns nichts draus. Wir machen uns nichts draus.
  5. Schinderhans: Thut hübsche Mädchen halten / Zu eurer Herzensfreud
    Und laßt den Alten walten! / Er hilft euch jederzeit.
    Sollt's euch an Nahrung fehlen - / Der Bauer hat noch Schaf'.
    Könnt ihr beim Tag nicht stehlen, / So holt sie in dem Schlaf!
    Bande:
    Ja, Hansel! so wär's brav. Ja, Hansel! so wär's brav.
  6. Schinderhans:
    Sollt euch dann endlich drücken / Auch die Verhaftungs-Qual,
    So schont nicht euern Rücken! / Einmal für allemal!
    Bleibt euch nach Ruthenstreichen / Das Schloß des Munds nicht zu,
    So seid ihr blasse Leichen, / Es geht dem Galgen zu.
    Bande:
    Dann heißt's: herab die Schuh! Dann heißt's: herab die Schuh!
  7. Schinderhans:
    Räumt uns die Galgen-Wiesen / Einst einen Wohnplatz ein,
    Wo uns die Raben grüßen, / Was kann vergnügter sein?
    Dort ist die Himmelsleiter; / Bei schöner Sommerszeit
    Stehn Blumen, Gras und Kräuter / Zu Füßen uns bereit.
    Bande:
    Das ist die letzte Freud. Das ist die letzte Freud.
Qu: Sammlung August Hartmann in der Bayerischen Staatsbibliothek München (Arbeitskopie im VMA), Anmerkung: Handschriftlich aus Oberbayern mit der Überschrift: "Schinderhans, Hauptmann einer Räuberbande am Rhein". Melodieversuch nach Motiven der Sammlung Hartmann/Abele aus dem 19. Jahrhundert, EBES 2011/2012. V: "Auf den Spuren der musikalischen Volkskultur im Hunsrück" (VMA 2012, S. 249 ff) und: Ein Lied vom Hunsrücker Räuber "Schinderhannes" (Informationen aus dem Volksmusikarchiv 2/2012, S. 38/39). TA: VMA/THZ-0144; Vorsänger: Johannes Mangels (Bad Aibling), Volk: Eva Bruckner (auch Gitarrenbegleitung, Berchtesgaden), Claudia Harlacher (Germerswang), Wolfgang Killermann (München), Georg, Max und Michaela Leidel (Bernau), Friedrich Linner (Seeon), Leonhard Perl (Antwort), Erich Strobl (Frasdorf); VMA 4.8.2017.